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German Congress of Orthopaedics and Traumatology (DKOU 2025)

Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC), Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU), Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU)
28.-31.10.2025
Berlin


Meeting Abstract

Häufigkeit, Lokalisation und Ursprung traumatischer pelviner Blutungen

Florentine Gerhardt 1
Andreas Höch 1
Christian Kleber 1
Dmitry Notov 1
Suzanne Zeidler 1
1Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plastische Chirurgie (Universitätsklinikum Leipzig), Leipzig, Deutschland

Text

Zielsetzung und Fragestellung: Traumatische pelvine Blutungen stellen eine vital bedrohliche Herausforderung an den behandelnden Unfallchirurgen und zählen laut Literatur zu den Haupttodesursachen beim polytraumatisierten Patienten. Der präsakrale Venenplexus wird dabei mit 80–90% als Blutungsquelle mit bis zu 5 Litern Blutverlust angesehen. Ein arterieller Ursprung der Blutungen wird in nur 10–20% angegeben. Ziel dieser Studie war es, diese Annahmen, auch mit dem Hintergrund des demographischen Wandels, kritisch zu hinterfragen und die Inzidenz, Lokalisation und den Ursprung traumatischer pelviner Blutungen zu analysieren.

Material und Methoden: In dieser retrospektiven Studie wurden im Zeitraum von Januar 2021 bis Dezember 2023 alle Beckenfrakturen eines überregionalen Traumazentrums erfasst, die eine initiale CT-Diagnostik erhielten. Alle CT-Bilder wurden von zwei erfahrenen Beckenchirurgen gesichtet und zusätzlich vorliegende radiologische Befunde ausgewertet, um relevante pelvine Blutungen zu identifizieren. Diese wurden nach Lokalisation (Zone 1-parasymphysär; Zone 2-Os pubis; Zone 3-Linea arcuata; Zone 4-Os Ilium; Zone 5-präsakral; Zone 6-extrapelvin) und Ursprung (venös, arteriell, ossär) eingeteilt.

Ergebnisse: Von 587 Patienten mit Beckenfraktur wiesen 95 (16,2%) eine radiologisch relevante Blutung auf. Das Durchschnittsalter betroffener Patienten betrug 70 Jahre, die Mehrheit (60%) erlitt ein Hochrasanztrauma. 27% der Blutungsereignisse traten im Zusammenhang mit Osteoporose-assoziierten Beckenringfrakturen auf, von denen ca. 50% FFP-II-Frakturen zuzuordnen waren. 30% der Patienten mit radiologisch relevanter Blutung erlitten eine Acetabulumfraktur, ebenso viele eine Beckenringfraktur vom Typ C nach AO-Klassifikation. Fast ein Drittel der Blutungsereignisse tratt in Zone 4 auf, nur 14% in Zone 5. Die Blutungsquelle war in 45 % ossär, während rein venöse Blutungen bei nur 7% der Patienten nachgewiesen wurden. Arterielle Blutungen traten vor allem bei geriatrischen Patienten mit Niedrigrasanztrauma in der Zone 2 auf. Die Gesamtmortalität traumatisch bedingter pelviner Blutungen lag bei 15%.

Diskussion und Schlussfolgerung: Klinisch relevante pelvine Blutungen scheinen insgesamt seltener als bisher angegeben und weichen sowohl in ihrer Lokalisation als auch in ihrem Ursprung von bisherigen Annahmen ab. Insbesondere der hohe Anteil ossärer Blutungen legt nahe, dass die bisherige Fokussierung auf venöse und arterielle Blutungen möglicherweise einer Anpassung diagnostischer und therapeutischer Strategien bedarf. Gleichzeitig zeigt sich, dass eine nicht unerhebliche Anzahl an Blutungen mit osteoporotischen Frakturen assoziiert ist, was ein Umdenken hinsichtlich der Gefährdung geriatrischer Patienten mit sich bringen könnte.

Die Gesamtmortalität traumatischer pelviner Blutungen ist niedriger als vielfach berichtet, was auf optimierte Versorgungskonzepte spezialisierter Traumazentren zurückzuführen sein könnte. Die vorliegenden Ergebnisse liefern bereits wertvolle Hinweise auf die prognostische Relevanz spezifischer Blutungslokalisationen und Frakturtypen. Weitere Analysen sind erforderlich, um auf Basis dieser Erkenntnisse gezielte Behandlungsstrategien zu entwickeln.