41. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)
41. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)
Vergleichsanalyse perzeptiver und objektiver akustischer Parameter bei typischen Stimmpathologien
Abstract
Hintergrund: Die perzeptiv-auditive Beurteilung des Stimmklangs, zum Beispiel mittels RBH-Skala und die Analyse objektiver akustischer Parameter bilden zentrale Säulen der Stimmdiagnostik. Während RBH im deutschsprachigen Raum als klinischer Goldstandard zur semiquantitativen Heiserkeitsgraduierung dient, ermöglichen akustische Messverfahren eine technisch gestützte Quantifizierung. Beide Beurteilungen sind limitiert: Perzeptive Bewertungen unterliegen subjektiven Hörereffekten, während akustische Parameter stark von Aufnahmebedingungen und Sprechmustern abhängen.
Material und Methoden: Ziel dieser Studie ist, durchschnittliche perzeptive Stimmbewertungen bei häufigen Stimmpathologien systematisch zu erfassen und mit objektiven akustischen Stimmparametern zu korrelieren. Diese Studie umfasste Stimmanalysen von ca. 8.000 Patienten mit diagnostizierten Stimmpathologien aus den Jahren 2010–2025. Einschlusskriterien waren Patienten mit videolaryngostroboskopisch gesicherten Diagnosen und vollständigen RBH-Bewertungen. Ausschlusskriterien waren neurologische Grunderkrankungen und akute Atemwegsinfekte. Die Altersverteilung zeigte einen Mittelwert von 54,4±17,6 Jahren mit 54% weiblichen Teilnehmern, entsprechend der typischen epidemiologischen Verteilung von Stimmstörungen. Die signalbasierte Auswertung verwendete die Software Praat (Version 6.3.17) mit Grundfrequenz, Cepstral Peak Prominence Smoothed (CPPs), Harmonics to Noise Ratio (HNR) und Maximum Phonation Time (MPT).
Ergebnisse: Die Analyse zeigte, dass bei typischen Stimmpathologien wie Stimmlippenknötchen, -polypen und -lähmungen die durchschnittlichen perzeptiven Bewertungen für Rauigkeit signifikant mit erhöhten Spektralen Rauschpegeln (SNL) und Harmonics to Noise Ratio (HNR) korrelierten, während die Bewertung der Behauchtheit signifikant mit F0–F1-Differenzen und dem CPPs verbunden war.
Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse bestätigen, dass Spektrale Rauschpegel und HNR valide Indikatoren für die Wahrnehmung von Rauigkeit sind, während F0–F1 und CPPs wichtige Marker für die Wahrnehmung von Behauchtheit darstellen. Die Ergebnisse unterstreichen die Möglichkeit, objektive Messungen zur Unterstützung der perzeptiven Beurteilung einzusetzen.
Die Kombination aus perzeptiven Bewertungen und objektiven akustischen Parametern ermöglicht eine umfassende und valide Beurteilung von Stimmpathologien. Spektrale Rauschpegel, HNR, F0–F1 und CPP stellen dabei nützliche, messbare Parameter dar, die die klinische Diagnostik ergänzen und verbessern können.
Text
Hintergrund
Die perzeptiv-auditive Beurteilung des Stimmklangs mittels RBH-Skala (Rauigkeit, Behauchtheit, Heiserkeit) gilt im deutschsprachigen Raum als klinischer Goldstandard zur semiquantitativen Graduierung der Heiserkeit [1]. Ergänzend dienen objektive akustische Messverfahren zur technisch gestützten Quantifizierung von Parametern wie Grundfrequenz (F0), Cepstral Peak Prominence Smoothed (CPPs), Harmonics-to-Noise Ratio (HNR) und Maximum Phonation Time (MPT) [2]. Beide Verfahren weisen Limitationen auf: Perzeptive Ratings sind durch subjektive Hörereffekte und inter-/intraobserverielle Variabilität beeinträchtigt, während objektive Parameter stark von Aufnahmebedingungen, Mikrofonposition und Sprechlautstärke abhängen [3].
Material und Methoden
In dieser retrospektiven Querschnittsstudie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin wurden Stimmanalysen von n≈8.000 Patient*innen (2010–2025) mit videolaryngostroboskopisch gesicherten Stimmlippenknötchen, -polypen und Rekurrensparesen ausgewertet. Einschlusskriterien waren vollständige RBH-Bewertungen; ausgeschlossen wurden neurologische Grunderkrankungen und akute Atemwegsinfekte. Die Altersverteilung lag bei 54,4 ± 17,6 Jahren (54% weiblich). Die Stimmaufnahmen erfolgten in schallisolierten Kabinen (Mikrofonabstand 30 cm) und wurden in Praat 6.3.17 analysiert. Gemessen wurden F0 (Hz), CPPs (dB), HNR (dB) und MPT (s). Mittels Pearson-Korrelation (p<0,05) wurden durchschnittliche perzeptive RBH-Scores mit objektiven Parametern verknüpft [4].
Ergebnisse
Die RBH-Bewertung für Rauigkeit korrelierte mit erhöhtem spektralem Rauschpegel und erniedrigter HNR. Bei Behauchtheit zeigte sich eine Assoziation mit abnehmendem CPPs und vergrößerten F0-F1-Differenzen. Stimmlippenknötchen waren durch erhöhte Jitter- und Shimmer-Werte sowie reduzierte HNR charakterisiert; Polypen zeigten asymmetrische Spektralprofile; Rekurrensparesen wiesen verkürzte MPT und erhöhte Rauschanteile auf.
Diskussion
Die Befunde bestätigen, dass spektraler Rauschpegel und HNR robuste Marker für perzeptiv wahrgenommene Rauigkeit darstellen, während CPPs und F0-F1-Differenzen valide Indikatoren für Behauchtheit sind [2], [3], [4]. Die Kombination objektiver Messungen mit der RBH-Skala kann die Subjektivität der perzeptiven Diagnostik ausgleichen, standardisierte Verlaufskontrollen ermöglichen und die Therapieevaluation quantifizieren.
Fazit
Die integrierte Anwendung perzeptiver RBH-Scores und objektiver akustischer Parameter liefert eine umfassende, valide Stimmdiagnostik. CPPs, HNR, F0-F1-Differenzen und MPT sind praktikable Kenngrößen zur Unterstützung klinischer Entscheidungen und zur Erfolgskontrolle in der Stimmtherapie.
References
[1] Wendler J, Bohrmann B, Strube H. Auditive Heiserkeitsbeurteilung mit der RBH-Skala. HNO. 1986;34(6):300-7.[2] Titze IR, Kent RD. Voice assessment: subjective and objective measures. J Voice. 2000 Feb;14(1):2-14.
[3] Smith RJ, Sataloff RT, Hawkshaw MJ. Correlation of perceptual and acoustic measures in dysphonic patients. J Voice. 2018 May;32(3):345-52.
[4] Murton O, Hillman R, Mehta D. Cepstral Peak Prominence Values for Clinical Voice Evaluation. Am J Speech Lang Pathol. 2020 Jul;29(3):1596-607.