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41. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.
25.-28.09.2025
Münster


Vortrag

Prävalenz von Dysphonie bei Metal-Singenden und der Einfluss von Gesangsausbildung: Eine subjektive Analyse

J. Marscheider 1,2
A. A. Chostelidou 1
O. Jeleff-Wölfler 1
S. Auer 1
S. Graf 2
S. Regele 1
1TUM Klinikum, Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde / Phoniatrie & Logopädie, München, Deutschland
2Medizinische Universität Innsbruck, Universitätsklinik für Hör-, Stimm- und Sprachstörungen, Innsbruck, Österreich

Abstract

Hintergrund: Durchschnittlich ist die Prävalenz für subjektiv angegebene Stimmstörungen bei Singenden höher als in der Allgemeinbevölkerung. Bei professionellen Singenden besteht ein höheres Risiko für laryngeale Pathologien. Bei extremen Gesangstechniken werden vor allem supraglottische Strukturen eingesetzt, um die Stimmlippen zu schützen. Eine Gesangsausbildung kann einen positiven Effekt auf die Stimme haben und Stimmprobleme vermeiden. Die meisten Metal-Singenden bringen sich den Metal-Gesang autodidaktisch bei. Ziel der Studie war die Prävalenz bei Metal-Singenden für eine Dysphonie zu ermitteln sowie den Einfluss von Gesangsausbildung oder Beruf.

Material und Methoden: 74 Teilnehmende haben einen Online-Fragebogen ausgefüllt. Neben Fragen zu Vorerkrankungen, Ausbildung und Stimmbelastung konnten Audioaufnahmen angehört werden, um die verschiedenen Gesangstechniken innerhalb des Metal-Gesangs einordnen zu können. Zusätzlich wurden zwei validierte und standardisierte Fragebögen zur Sprech- und Singstimme ausgefüllt. Die Kurzversion des Voice Handicap Index (VHI-12) und der Singing Voice Handicap Index (SVHI). Deren Skalen wurden als Richtwert für eine Stimmstörung verwendet.

Ergebnisse: Die Prävalenz von Dysphonien bei Metal-Singenden lag bei 12,9%. 9 von 74 Teilnehmenden zeigten einen erhöhten SVHI oder VHI-12 Wert. 6 von diesen Personen haben sich das Singen autodidaktisch beigebracht. Keine Sängerin oder Sänger, die hauptberuflich singen oder Gesang studiert haben, hatten einen erhöhten (S)VHI Wert. Die Korrelation zwischen Ausbildung oder Beruf und Dysphonie war statistisch nicht signifikant. Mehr Frauen als Männer studierten Gesang oder nahmen Gesangsunterricht, dieser Unterschied war statistisch signifikant. Es gab keinen Zusammenhang zwischen Geschlecht und Dysphonie.

Schlussfolgerungen: Die Prävalenz von Dysphonie von 12,2% ist vergleichsweise niedrig und gegensätzlich zu unseren Annahmen, wenn man die Anzahl der gesamten Teilnehmenden (N=74) und die Anzahl der Singenden ohne Gesangsausbildung (N=45) betrachtet. Wir können annehmen, dass eine Gesangsausbildung für den Metal-Gesang nützlich, aber nicht dringend notwendig ist. Eine gesunde Gesangstechnik kann möglicherweise auch autodidaktisch erlernt werden. Weiterführende Studien mit Vergleich der hier subjektiven Merkmale mit objektiven Parametern (Stroboskopie) sehen wir als sinnvoll an.

Text

Hintergrund

Durchschnittlich ist die Prävalenz für subjektiv angegebene Stimmstörungen bei Singenden (46,01%) [1] höher als in der Allgemeinbevölkerung (18,8%) [2]. Bei professionell Singenden besteht ein höheres Risiko für laryngeale Pathologien [3]. Dabei haben Gesangsstil, Gesangsausbildung und die beruflichen Anforderungen positive sowie negative Einflüsse auf die erhöhte Prävalenz [1]. Bei extremen Gesangstechniken – wie Growling oder Screaming – werden vor allem supraglottische Strukturen eingesetzt, um die Stimmlippen zu schützen [4], [5], [6], [7], [8], [9], [10]. In einer Longitudinal-Studie von Aaen et al. [5] konnte nachgewiesen werden, dass eine gesunde kontrollierte Technik zu einer langfristigen stimmlichen Belastbarkeit und Stimmgesundheit führt. In vielen bisherigen Studien zu Metal-Gesang wurden Gesangslehrende bzw. Singende mit langjähriger Erfahrung untersucht. Die meisten Metal-Singenden bringen sich den Metal-Gesang autodidaktisch bei [11]. Hier stellt sich die Frage, welchen Einfluss die Gesangsausbildung und der Beruf auf einen physiologischen Stimmgebrauch hat. Neben dieser Fragestellung war das Ziel die Prävalenz bei Metal-Singenden für eine Dysphonie zu ermitteln.

Material und Methoden

74 Teilnehmende haben einen Online-Fragebogen ausgefüllt. Neben Fragen zu Vorerkrankungen, Ausbildung und Stimmbelastung konnten Audioaufnahmen angehört werden, um die verschiedenen Gesangstechniken innerhalb des Metal-Gesangs einordnen zu können. Zusätzlich wurden zwei validierte und standardisierte Fragebögen zur Sprech- und Singstimme ausgefüllt, die Kurzversion des Voice Handicap Index (VHI-12) [12] und der Singing Voice Handicap Index (SVHI) [13]. Deren Skalen wurden als Richtwert für eine Stimmstörung verwendet.

Ergebnisse

Die Prävalenz von Dysphonien bei Metal-Singenden lag in unserer Stichprobe bei 12,2%. 9 von 74 Teilnehmenden zeigten einen erhöhten SVHI oder VHI-12 Wert. 6 von diesen Personen haben sich das Singen autodidaktisch beigebracht, 3 nahmen Gesangsunterricht. Insgesamt haben 60,8% der Teilnehmenden das Singen autodidaktisch erlernt und 39,2% verfügten über eine Ausbildung. Keine Sängerin oder Sänger, die hauptberuflich singen oder Gesang studiert haben, hatten einen erhöhten (S)VHI Wert. 4 von 9 Teilnehmenden hatten ein zusätzliches Einkommen durch den Gesang, und 5 Personen gaben Singen als Hobby an. Die Korrelation zwischen Ausbildung oder Beruf und Dysphonie war statistisch nicht signifikant. Auch zwischen Alter, Sprechberuf, Stimmbelastung pro Woche, Geschlecht, Tabakkonsum oder Alkoholkonsum konnten keine statistischen Signifikanzen festgestellt werden. Mehr Frauen als Männer studierten Gesang oder nahmen Gesangsunterricht, dieser Unterschied war statistisch signifikant.

Schlussfolgerungen

Wenn man die Anzahl der gesamten Teilnehmenden (N=74) und die Anzahl der Singenden ohne Gesangsausbildung (N=45) betrachtet, ist die Prävalenz von Dysphonie mit 12,2% (N=9) vergleichsweise niedrig und gegensätzlich zu unseren Annahmen. Diese geringe Anzahl limitierte uns in der Berechnung für Inferenzstatistik und Korrelationsberechnungen.

Wir können annehmen, dass eine Gesangsausbildung für den Metal-Gesang nützlich, aber nicht dringend notwendig ist. Eine gesunde Gesangstechnik kann möglicherweise auch autodidaktisch erlernt werden. Keine Sängerin oder Sänger, die hauptberuflich singen oder Gesang studiert haben, sowie Gesangslehrende, zeigten Anzeichen für eine Stimmstörung. Das wiederum spricht für eine fundierte Ausbildung zum Erlernen der notwendigen Gesangstechniken.

Die Erhebung beruht auf subjektiv beantworteten Fragen, ohne phoniatrische oder stimmtherapeutische Untersuchung. Daher sehen wir weiterführende Studien mit Vergleich der hier subjektiven Merkmale mit objektiven Parametern (Stroboskopie) vor allem bei Metal-Singenden ohne Studium oder Gesangsausbildung als sinnvoll an.

Anmerkung

Die Studie wurde 2025 in Journal of Voice veröffentlicht [14].


References

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[3] Kwok M, Eslick GD. The Impact of Vocal and Laryngeal Pathologies Among Professional Singer: A Meta-analysis. J Voice. 2019;33(1):58-65.
[4] Aaen M, McGlashan J, Sadolin C. Laryngostroboscopic Exploration of Rough Vocal Effects in Singing and their Statistical Recognizability: An Anatomical and Physiological Description and Visual Recognizability Study of Distortion, Growl, Rattle, and Grunt using laryngostroboscopic Imaging and Panel Assessment. J Voice. 2020;34(1):162.e5-162.e14.
[5] Aaen M, Sadolin C, White A, Nouraei R, McGlashan J. Extreme Vocals-A Retrospective Longitudinal study of Vocal Health in 20 Professional Singers Performing and Teaching Rough Vocal Effects. J Voice. 2024 Nov;38(6):1526.e11-1526.e22.
[6] Eckers C, Hütz D, Kob M, et al. Voice production in death metal singer. In: NAG/DAGA International Conference on Acoustics; 2009 Mar; Rotterdam.
[7] Guzman M, Acevedo K, Leiva F, et al. Aerodynamic Characteristics of Growl Voice and Reinforced Falsetto in Metal Singing. J Voice. 2019;33(5):803.e7-803.e13.
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[9] Titze I. Deliberate use of distortion in singing. J Acoust Soc Am. 1998;103(5):2796-7.
[10] Traser L, Köberlein M, Priegnitz D, Stritt F, Fischer J, Bock M, Richter B, Echternach M, Fleischer M. Implikationen der Vokaltrakt Konfiguration im Metal/Rock-Gesang für die Entwicklung glottaler Ersatzstimmen. In: 40. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP); Berlin, 12.-15.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. DocV16. DOI: 10.3205/24dgpp18
[11] Erbe M. By Demons Be Driven? Scanning “Monstrous” Voices. In: Abbey EJ, Helb C, editor. Hardcore, punk, and other junk: Aggressive sounds in contemporary music. Toronto: Lexington Books; 2014. p. 51-71.
[12] Gonnermann U, Nawka T. Klassifikation der Werte des VHI-12 nach Schweregraden. In: Dreiländertagung D-A-CH, 24. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e.V. Innsbruck, Österreich, 28.-30.09.2007. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2007. Doc07dgppV02.
[13] Lorenz A, Kleber B, Büttner M, et al. Validierung des Singing Voice Handicap Index in der deutschen Fassung. HNO. 2013;61:699-706.
[14] Unterhofer C, Marscheider J, Auer S, Jeleff-Wölfler O, Graf S. Prevalence of Dysphonia in Metal Singers and the Impact of Vocal Education: A Subjective Analysis. J Voice. 2025 May;39(3):853.e21-853.e31. DOI: 10.1016/j.jvoice.2022.12.004