41. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)
41. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)
Prospektive Querschnittsstudie zur Validität des PILL-5 bei Parkinson-Patienten
2Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Parkinson-Tagesklinik, Hamburg, Deutschland
Abstract
Hintergrund: Schluckstörungen haben relevante Konsequenzen und reduzieren die Lebensqualität von Patienten mit Parkinson-Krankheit (PK) und Angehörigen deutlich. Einen ganz wesentlichen Aspekt stellt die gestörte Medikamenteneinnahme mit bedeutsamen Folgen wie Wirkverlust und lokaler Schleimhautirritation durch unbemerktes „Hängenbleiben“ dar. Vor allem in späten Stadien der PK ist die Wirksamkeit von Parkinson-Medikamenten oft schwankend und es liegt nahe, dass die On-Off-Fluktuationen mit der Dysphagie von Tabletten zusammenhängen können. Der PILL-5 ist ein spezifischer Fragebogen zum Schluckvermögen von Tabletten, der in englischer Sprache an Dysphagie Patienten validiert wurde. Inwieweit sich der PILL-5 bei PK-Patienten als valide erweist, soll hier dargestellt werden
Material und Methoden: Im Rahmen einer prospektiven, randomisiert-kontrollierten Studie wurde von 06/22–09/24 bei PK-Patienten der PILL-5 erhoben. Ausschlusskriterien waren andere neurologische und strukturelle Erkrankungen oder ein atypisches/symptomatisches Parkinson-Syndrom. Einer klinisch neurologischen und phoniatrischen Untersuchung folgte die flexibel-endoskopische Schluckuntersuchung (FEES) mit definierten Bolusmengen verschiedener Konsistenzen (IDDSI 7/4/0) und drei Tabletten verschiedener Größe sowie einer Kapsel. Neben Schluckparametern wie Penetration/Aspiration und Residuen wurde der Tablettenschluck mittels des PS4 bewertet. Die konvergente Validität wurde anhand der Gegenüberstellung des Tablettenschluckes in der FEES (PS4 ≥2) mit dem Fragebogen (PILL-5 ≥6) ermittelt.
Ergebnisse: Von insgesamt 154 PK-Patienten wurden 118 für den Vergleich mit dem PILL-5 herangezogen (Alter: 69±9,8 J. (MW±SD); Hoehn & Yahr: Md=2 (IQR 2–2,5); UPDRS III 35±14,2 (MW±SD)). 36 Patienten wurden ausgeschlossen (Untersuchungsabbruch (2), PAS ≥6 für Wasser (34)). Einen auffälligen PS4 hatten 32% (Md 0, IQR 0–3), einen auffälliger PILL-5 nur 10% (Md 1, IQR 0–4) der Patienten. Bei den gewählten Cut-Off Werten identifizierte der PILL-5 einen auffälligen Tablettenschluck mit einer Sensitivität von 17% und einer Spezifität von 89% (PPV=16,7%; NPV=89,0%; LR+=1,5; LR-=0,93).
Schlussfolgerungen: Der PILL-5 ist unter den definierten Cut-Off-Werten nicht geeignet zur Detektion einer Dysphagie für Tabletten bei PK. Ob eine Adaptation des Cut-Off-Werts bei PK oder die Extraktion nur einzelner Fragen des PILL-5 die Sensitivität verbessern könnten, soll im Vortrag diskutiert werden.
Text
Hintergrund
Schluckstörungen haben relevante Konsequenzen und reduzieren die Lebensqualität von Patienten mit Parkinson-Krankheit (PK) und Angehörigen deutlich. Einen ganz wesentlichen Aspekt stellt die gestörte Medikamenteneinnahme mit bedeutsamen Folgen wie Aspiration der Trägersubstanz, Wirkverlust und lokaler Schleimhautirritation durch unbemerktes „Hängenbleiben" dar [1] (Abbildung 1 [Abb. 1]). Vor allem in späten Stadien der PK ist die Wirksamkeit von Parkinson-Medikamenten oft schwankend und es liegt nahe, dass die On-Off-Fluktuationen auch mit der Dysphagie von Tabletten zusammenhängen können [2]. Der PILL-5 ist ein spezifischer Fragebogen zum Schluckvermögen von Tabletten, der in englischer Sprache an Dysphagie Patienten validiert wurde [3]. Inwieweit sich der PILL-5 bei PK-Patienten als valide erweist, soll hier dargestellt werden.
Abbildung 1: Retinierte Tablette im Sinus piriformis links
Methode
Im Rahmen einer prospektiven, randomisiert-kontrollierten Studie wurde zwischen Juni 2022 und September 2024 bei PK-Patienten der PILL-5 erhoben. Dieser wurde gemäß der „Principles of Good Practice for the Translation and Cultural Adaptation Process for Patient-Reported Outcomes Measures“ ins Deutsche übersetzt [4]. Ausschlusskriterien waren andere neurologische und strukturelle Erkrankungen oder ein atypisches/symptomatisches Parkinson-Syndrom. Einer klinisch neurologischen und phoniatrischen Untersuchung folgte die flexibel-endoskopische Schluckuntersuchung (FEES) mit definierten Bolusmengen verschiedener Konsistenzen (IDDSI 7/4/0) und drei Tabletten verschiedener Größe sowie einer Kapsel. Neben Schluckparametern wie Penetration/Aspiration und Residuen wurde der Tablettenschluck mittels des PS4 bewertet [1]. Der PS4 erfasst FEES-gestützt die Fähigkeit zur Ingestion fester peroraler Arzneiformen und klassifiziert die Ergebnisse auf einer vierstufigen Skala (keine, leichte, mäßige, schwere Schluckstörung). Die konvergente Validität wurde anhand der Gegenüberstellung des Tablettenschluckes in der FEES (auffällig bei PS4-Score ≥2) mit dem Fragebogen (auffällig bei PILL-5 -Score ≥6) ermittelt.
Ergebnisse
Von insgesamt 154 PK-Patienten wurden 118 für den Vergleich mit dem PILL-5 herangezogen (Alter: 69±9,8 J. (MW±SD); Hoehn&Yahr: Md=2 (IQR 2–2,5); UPDRS III 35±14,2 (MW±SD)). 36 Patienten wurden ausgeschlossen; zwei wegen Untersuchungsabbruch, 34 Patienten wegen einem PAS-Wert ≥6 für Wasser. Mehr als 39% zeigte Schluckpathologien (PAS ≥2) in der FEES (PAS Md 1, IQR 1–3). Einen auffälligen PS4 hatten 32% (Md 0, IQR 0–3), einen auffälligen PILL-5 nur 10% (Md 1, IQR 0–4) der Patienten. Bei den gewählten Cut-Off Werten identifizierte der PILL-5 einen auffälligen Tablettenschluck mit einer Sensitivität von 17% und einer Spezifität von 89% (PPV=16,7%; NPV=89,0%; LR+=1,5; LR-=0,93). Um zu berücksichtigen, dass PK-Patienten ihre Schluckstörung häufig unzureichend wahrnehmen und nicht erwähnen [5], [6], erfolgte auch eine Analyse unter Änderung des Cut-off-Wertes wie auch die Extraktion nur einzelner Items. Auch diese Modifikation führte zu keiner zufriedenstellenden Verbesserung der Sensitivität.
Diskussion und Schlussfolgerungen
Der PILL-5 ist unter den definierten Cut-Off-Werten nicht geeignet zur Detektion einer Dysphagie für Tabletten bei PK. Auch eine Adaptation des Cut-Off-Werts oder die Extraktion nur einzelner Fragen des PILL-5 kann die Sensitivität nicht ausreichend verbessern. Möglicherweise könnten bei PK-Patienten eher indirekte Fragestellungen oder die Fragen alternative Formulierungen der Fragen vorteilhaft sein. Weitere Untersuchungen sind geplant, um dies wie auch die Anwendbarkeit des PILL-5 bei weiteren Patientengruppen zu untersuchen.
References
[1] Buhmann C, Bihler M, Emich K, Hidding U, Pötter-Nerger M, Gerloff C, Niessen A, Flügel T, Koseki JC, Nienstedt JC, Pflug C. Pill swallowing in Parkinson's disease: A prospective study based on flexible endoscopic evaluation of swallowing. Parkinsonism Relat Disord. 2019 May;62:51-6. DOI: 10.1016/j.parkreldis.2019.02.002[2] Fabbri M, Coelho M, Abreu D, Guedes LC, Rosa MM, Costa N, Antonini A, Ferreira JJ. Do patients with late-stage Parkinson's disease still respond to levodopa? Parkinsonism Relat Disord. 2016 May;26:10-6. DOI: 10.1016/j.parkreldis.2016.02.021
[3] Nativ-Zeltzer N, Bayoumi A, Mandin VP, Kaufman M, Seeni I, Kuhn MA, Belafsky PC. Validation of the PILL-5: A 5-Item Patient Reported Outcome Measure for Pill Dysphagia. Front Surg. 2019 Jul 24;6:43. DOI: 10.3389/fsurg.2019.00043
[4] Wild D, Grove A, Martin M, Eremenco S, McElroy S, Verjee-Lorenz A, Erikson P; ISPOR Task Force for Translation and Cultural Adaptation. Principles of Good Practice for the Translation and Cultural Adaptation Process for Patient-Reported Outcomes (PRO) Measures: report of the ISPOR Task Force for Translation and Cultural Adaptation. Value Health. 2005 Mar-Apr;8(2):94-104. DOI: 10.1111/j.1524-4733.2005.04054.x
[5] Nienstedt JC, Bihler M, Niessen A, Plaetke R, Pötter-Nerger M, Gerloff C, Buhmann C, Pflug C. Predictive clinical factors for penetration and aspiration in Parkinson's disease. Neurogastroenterol Motil. 2019 Mar;31(3):e13524. DOI: 10.1111/nmo.13524
[6] Pflug C, Bihler M, Emich K, Niessen A, Nienstedt JC, Flügel T, Koseki JC, Plaetke R, Hidding U, Gerloff C, Buhmann C. Critical Dysphagia is Common in Parkinson Disease and Occurs Even in Early Stages: A Prospective Cohort Study. Dysphagia. 2018 Feb;33(1):41-50. DOI: 10.1007/s00455-017-9831-1