41. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)
41. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)
Leitprinzipien der (Re-)Habilitation nach CI-Versorgung bei Kindern – ein Konsenspapier der ACIR (Arbeitsgemeinschaft CI-Rehabilitation e.V.)
2Cochlear Implant Centrum Rhein-Main (CIC Rhein-Main), Friedberg, Deutschland
3Cochlea-Implantat-Zentrum Leipzig (CIZ Leipzig), Leipzig, Deutschland
4Cochlear Implant Centrum Uniklinik Köln (CIK), Köln, Deutschland
5Cochlea Implantat-Rehabilitationszentrum Heidelberg (CiRZ), Heidelberg, Deutschland
6Implantat Centrum Freiburg (ICF), Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, AIbert-Ludwigs Universität Freiburg, Freiburg, Deutschland
7Cochlear Implant Centrum Berlin-Brandenburg (CIC Berlin-Brandenburg), Berlin, Deutschland
8Cochlear Implant Centrum Ruhr (CIC Ruhr), Essen, Deutschland
9Centrum Wilhelm Hirte (CIC Wilhelm Hirte), Hannover, Deutschland
Abstract
Hintergrund: Die Entwicklungsergebnisse von Kindern nach einer Cochlea-Implantat(CI)-Versorgung variieren stark. Dies wird national und international teils auf das Fehlen einheitlicher Qualitätsstandards in der postoperativen Rehabilitation zurückgeführt. Die Arbeitsgemeinschaft Cochlea-Implantat Rehabilitation e.V. (ACIR) hat Leitprinzipien erarbeitet, die für den therapeutischen Bereich evidenzbasierte Qualitätsstandards der CI-Folgetherapie bei Kindern schaffen sollen.
Material und Methoden: In einem nominalen Gruppenprozess wurden aktuelle Leitlinien und evidenzbasierte Interventionsempfehlungen gesichtet und daraus Leitprinzipien abgeleitet. Der Prozess der Konsentierung erfolgt unter Teilnahme aller ACIR-Mitglieder in strukturierten Konsensuskonferenzen und wird im Herbst 2025 abgeschlossen sein.
Ergebnisse: Zwölf Leitprinzipien (P1–12) für den therapeutischen Bereich der CI-Folgetherapie für Kinder mit CI (0–18 Jahre) wurden erstellt. P1 unterstreicht die Notwendigkeit einer postoperativen Rehabilitation für jedes Kind. P2 bis P9 umreißen den therapeutischen Ansatz, der familienzentriert sein und evidenzbasierte Interventionen einsetzen soll (P2). Zu den wichtigsten Zielen gehören die Begleitung und das Coaching der Familien in ihren Interaktionen mit ihrem Kind und die Steigerung qualitativ und quantitativ hochwertigen elterlichen Sprachinputs (P3). Das therapeutische Vorgehen folgt einem hörgerichteten Ansatz (P4) und fördert die Hör-Sprachentwicklung als mehrdimensionalen Prozess (P5). Eine kontinuierliche Evaluation ist unabdingbar (P6). Die Familien werden in der Nutzung von zusätzlichem Zubehör und Hilfsmitteln angeleitet (P7). Die Unterstützung beinhaltet auch die Identitätsentwicklung und Selbstständigkeit der Kinder (P8). Bei Kindern mit Mehrfachbehinderungen werden frühzeitig Methoden der Unterstützten Kommunikation integriert (P9). P10 bis P12 befassen sich mit der Qualitätssicherung und betonen ein spezialisiertes, interdisziplinäres Rehabilitationsteam (P10), die laufende Qualifizierung der Teammitglieder (P11) und die Evaluation des Rehabilitationsprogramms (P12).
Schlussfolgerungen: Das ACIR-Konsenspapier legt erstmals in Deutschland Qualitätsstandards für evidenzbasiertes Vorgehen vor, die den Leistungserbringern helfen, die therapeutischen Ansätze für Kinder mit CI zu verbessern. Es ergänzt die bestehenden medizinischen und audiologischen Leitlinien.
Text
Hintergrund
Die Indikation zur kindlichen CI-Versorgung erweitert sich kontinuierlich und die Anzahl Cochlea-Implantat-(CI)-versorgter Kinder nimmt weltweit stetig zu. Die Ergebnisse in den kindlichen Entwicklungsverläufen variieren stark. International werden dabei neben anderen Faktoren auch die zu große Uneinheitlichkeit und mangelnde Standards in der Qualität der postoperativen Rehabilitation ins Feld geführt [1]. Gleichzeitig mahnt die Weltgesundheitsorganisation [2] eine rechtzeitige, spezifische und qualifizierte Behandlung von Hörstörungen an, um bekannte weitreichende negative Folgebeeinträchtigungen für Entwicklung, soziale Teilhabe und Unabhängigkeit für diese Risikogruppe zu vermeiden.
Die Arbeitsgemeinschaft Cochlea-Implantat Rehabilitation e.V. (ACIR) hat daher Leitprinzipien erarbeitet, die für den therapeutischen Bereich evidenzbasierte Qualitätsstandards der CI-Folgetherapie bei Kindern schaffen sollen.
Material und Methoden
In einem nominalen Gruppenprozess der o.g. Autorengruppe wurden aktuelle Leitlinien und evidenzbasierte Interventionsempfehlungen (national und international) gesichtet und daraus Leitprinzipien zum therapeutischen Vorgehen bei Kindern abgeleitet (u.a. [1], [2], [3], [4], [5], [6], [7], [8], [9]). Der Prozess der Konsentierung erfolgt unter Teilnahme aller ACIR-Mitglieder (derzeit 20 CI-Centren, siehe https://www.acir.de/) in strukturierten Konsensus-Konferenzen und wird im Herbst 2025 abgeschlossen sein.
Ergebnisse
Zwölf Leitprinzipien (P1-12) für den therapeutischen Bereich der CI-Folgetherapie für Kinder mit CI (0-18 Jahre) wurden erstellt. P1 unterstreicht die Notwendigkeit einer postoperativen Rehabilitation für jedes Kind. P2 bis P9 beschreiben den therapeutischen Ansatz, der familienzentriert sein und evidenzbasierte Interventionen einsetzen soll (P2) [1], [2], [5], [6], [7], [8]. Zu den wichtigsten Zielen der Rehabilitation gehören die Begleitung und das Coaching der Familien in ihren Interaktionen mit ihrem Kind und die Steigerung qualitativ und quantitativ hochwertigen elterlichen Sprachinputs (P3) [6], [7], [8], [9]. Das therapeutische Vorgehen folgt einem hörgerichteten Ansatz (P4) und fördert die Hör-Sprachentwicklung als mehrdimensionalen Prozess (P5). Eine kontinuierliche Evaluation ist unabdingbar (P6). Die Familien werden in der Nutzung von zusätzlichem Zubehör und Hilfsmitteln angeleitet (P7). Die Unterstützung beinhaltet auch die Identitätsentwicklung und Selbstständigkeit der Kinder (P8). Bei Kindern mit Mehrfachbehinderungen werden frühzeitig Methoden der Unterstützten Kommunikation integriert (P9) [5], [6], [7], [8]. P10 bis P12 befassen sich mit der Qualitätssicherung und betonen ein spezialisiertes, interdisziplinäres Rehabilitationsteam (P10), die laufende Qualifizierung der Teammitglieder (P11) und die Evaluation des Rehabilitationsprogramms (P12) [7], [8].
Fazit/Schlussfolgerung
Das ACIR-Konsenspapier, das Ende 2025 vollständig konsentiert auf der Homepage der ACIR vorliegen wird (https://www.acir.de/), legt erstmals in Deutschland Qualitätsstandards für evidenzbasiertes Vorgehen vor, die den Leistungserbringern helfen, die therapeutischen Ansätze für Kinder mit CI zu verbessern. Es ergänzt die bestehenden medizinischen und audiologischen Leitlinien.
References
[1] De Raeve L, Cumpăt MC, van Loo A, Costa IM, Matos MA, Dias JC, Mârțu C, Cavaleriu B, Gherguț A, Maftei A, Tudorean OC, Butnaru C, Șerban R, Meriacre T, Rădulescu L. Quality Standard for Rehabilitation of Young Deaf Children Receiving Cochlear Implants. Medicina (Kaunas). 2023 Jul 24;59(7):1354. DOI: 10.3390/medicina59071354[2] World Health Organization. World report on hearing. Geneva: World Health Organization; 2021. Verfügbar unter: https://www.who.int/publications/i/item/world-report-on-hearing
[3] Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V. S2k-Leitlinie Cochlea-Implantat-Versorgung: Cochlea-Implantat Versorgung einschließlich zentral-auditorischer Implantate. AWMF-Register-Nr. 017/071. 2020. Verfügbar unter: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/017-071
[4] Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. S2-Leitlinie Periphere Hörstörungen im Kindesalter. AWMF-Registernr. 049-010. 2013.
[5] Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie, Hrsg. Therapie von Sprachentwicklungsstörungen. Interdisziplinäre S3-Leitlinie. AWMF-Registernr. 049-015. Version 1. 2022. Verfügbar unter: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/049-015
[6] Hoffmann V, Reichmuth K, Neumann K, Schmitz-Salue C, Schönweiler, R. Therapie von Sprachentwicklungsstörungen bei Hörstörungen. In: Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie, Hrsg. Therapie von Sprachentwicklungsstörungen. Interdisziplinäre S3-Leitlinie. AWMF-Registernr. 049-015. 2022. Verfügbar unter: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/049-015
[7] Moeller MP, Carr G, Seaver L, Stredler-Brown A, Holzinger D. Best practices in family-centered early intervention for children who are deaf or hard of hearing: an international consensus statement. J Deaf Stud Deaf Educ. 2013 Oct;18(4):429-45. DOI: 10.1093/deafed/ent034
[8] Moeller MP, Gale E, Szarkowski A, Smith T, Birdsey BC, Moodie STF, Carr G, Stredler-Brown A, Yoshinaga-Itano C; FCEI-DHH International Consensus Panel; Holzinger D. Family-Centered Early Intervention Deaf/Hard of Hearing (FCEI-DHH): Introduction. J Deaf Stud Deaf Educ. 2024 Jun 24;29(3):442. DOI: 10.1093/deafed/enae014
[9] Holzinger D, Dall M, Sanduvete-Chaves S, et al. The impact of family environment on language development of children with cochlear implants: a systematic review and meta-analysis. Ear Hear. 2020;41(5):1077-91. DOI: 10.1097/AUD.0000000000000852