Logo

Deutscher Rheumatologiekongress 2025

53. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie und Klinische Immunologie (DGRh)
39. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh)
17.-20.09.2025
Wiesbaden


Meeting Abstract

Standardisierung der patientenberichteten und performanzbasierten Messung der körperlichen Funktionsfähigkeit: Ergebnisse einer prospektiven Analyse von Messinstrumenten bei muskuloskelettalen und systemischen Erkrankungen

Gregor Liegl 1
Audrey Yuki Brinker 1
Frank Buttgereit 1
Udo Schneider 1
Volkan Aykac 1,2
Andreas Heißel 3,4
Volker Köllner 1,5
Ursula Müller-Werdan 1,2
Felix Fischer 1
Matthias Rose 1
1Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin
2Evangelisches Geriatriezentrum Berlin, Berlin
3Sport-Gesundheitspark Berlin e.V., Berlin
4Universität Potsdam, Potsdam
5Reha-Zentrum Seehof, Teltow

Text

Einleitung: Die körperliche Funktionsfähigkeit ist ein zentraler Ergebnisparameter bei muskuloskelettalen und rheumatischen Erkrankungen [1], [2]. Die Bewertung des Funktionsniveaus kann anhand von patientenberichteten Ergebnismessungen (Patient-Reported Outcome Measures; PROMs) oder durch Performanztests erfolgen. PROMs ermöglichen die effiziente Erfassung eines breiten Spektrums von körperlichen Aktivitäten aus subjektiver Patientensicht, während Performanztests die körperliche Leistungsfähigkeit objektiv anhand standardisierter Testaufgaben messen (z.B. durch Zeitmessung). Obwohl beide Messansätze häufig verwendet werden, fehlt bislang eine Möglichkeit, die Ergebnisse von PROMs und Performanztests direkt miteinander zu vergleichen. Dies erschwert die Aggregation von Daten (z.B. in Metaanalysen) und die einheitliche Interpretation von Ergebnissen zur körperlichen Funktionsfähigkeit. Gleichzeitig haben aktuelle Studien eine hohe Übereinstimmung zwischen PROMs und Performanztests gefunden, unter der Voraussetzung, dass beide Messmethoden ein breites Spektrum an körperlichen Aktivitäten abbilden [3]. Auf dieser Grundlage wurde das „Standardizing PF“-Projekt als prospektive Studie in verschiedenen klinischen und nicht-klinischen Bereichen ins Leben gerufen (https://drks.de/search/en/trial/DRKS00032125). Das übergeordnete Ziel des Forschungsprojektes ist es, Algorithmen zu entwickeln, die die Abbildung von patientenberichteten und performanzbasierten Messungen auf einer standardisierten Skala ermöglichen. Der vorliegende Beitrag präsentiert erstmals die Ergebnisse der Teilstichprobe mit muskuloskelettalen und rheumatischen Erkrankungen und untersucht, ob die methodischen Voraussetzungen für die Etablierung solcher Algorithmen in dieser Population erfüllt sind.

Methoden: Die Datenerhebung erfolgte querschnittlich, wobei bei allen Teilnehmenden sowohl die patientenberichtete als auch die performanzbasierte Messung der körperlichen Funktionsfähigkeit erfolgte. In die Studie eingeschlossen wurden neben stationären Patientinnen und Patienten der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin auch Teilnehmende aus den Bereichen Geriatrie (Evangelisches Geriatriezentrum Berlin), psychokardiologische Rehabilitation (Reha-Zentrum Seehof), sowie Mitglieder im Sport- und Gesundheitspark Berlin, sofern diese an rheumatologischen Erkrankungen, Arthrose oder chronischen Rückenschmerzen litten. Als PROM beantworteten die Teilnehmenden die 20 Items des PROMIS-PF20a, ein standardisierter Fragebogen zur Bewertung der allgemeinen körperlichen Funktionsfähigkeit. Im Anschluss an die Selbstbeurteilung absolvierten alle Teilnehmenden eine performanzbasierte Testbatterie aus 12 Aufgaben (9 Aufgaben des Physical Performance Test [PPT] und 3 Aufgaben der Short Physical Performance Battery [SPPB]). Ziel der statistischen Analysen war die Überprüfung, ob die messtheoretischen Voraussetzungen für die Kalibrierung der unterschiedlichen Messinstrumente (PROMIS-PF20a, PPT, SPPB) auf eine gemeinsame Skala gegeben sind. Dazu wurden die Korrelationen (nach Spearman und Pearson) zwischen den Instrumenten bestimmt, die interne Konsistenz (Omega H, korrigierte Item-Skalen-Korrelationen) berechnet, sowie die Skalierbarkeit (Loevinger’s H) geprüft. Zur Überprüfung hinreichender Eindimensionalität kamen darüber hinaus faktorenanalytischen Verfahren zum Einsatz.

Ergebnisse: Zwischen Dezember 2023 und März 2025 wurden insgesamt N = 640 Teilnehmende mit rheumatischen Erkrankungen und/oder muskuloskelettalen Beschwerden in die Studie eingeschlossen (Rheumatologie und Immunologie: n = 205; Geriatrie: n = 167; psychokardiologische Rehabilitation: n = 121; Sport- und Gesundheitspark: n = 147). Das mediane Alter betrug 67 Jahre; 69% der Stichprobe waren weiblich. Der mediane T-Score des PROMIS-PF20a lag bei 40, was einem patientenberichteten Funktionsniveau von einer Standardabweichung unterhalb des Durchschnittswerts der Allgemeinbevölkerung entspricht. Der mediane PPT-Wert betrug 28 Punkte, was im Durchschnitt auf mittlere bis leichte Einschränkungen hinschlicht der körperlichen Performanz hinweist. Die Korrelationen zwischen PROMIS-PF20a und den performanzbasierten Tests PPT bzw. SPPB waren hoch (Pearson r ≥ 0,82; Spearman r ≥ 0,78). Die interne Konsistenz des zusammengefügten Sets aus PROM-Items und performanzbasierten Testaufgaben erwies sich ebenfalls als hoch (Omega H = 0,86), mit einer Spannweite der korrigierten Item-Skalen-Korrelationen zwischen 0,50 und 0,83. Darüber hinaus konnte eine sehr gute Skalierbarkeit mit Hinblick auf eine gemeinsame Skala für die unterschiedlichen Messansätze gezeigt werden (Loevinger’s H = 0,71). Eine explorative Bifaktoranalyse zeigte, dass ein gemeinsamer Faktor („allgemeine körperliche Funktionsfähigkeit“) 76% der Gesamtvarianz der Messung erklären kann, unabhängig davon, ob patientenberichtete oder performanzbasierte Methoden verwendet werden.

Schlussfolgerung: Bei Patientinnen und Patienten mit muskuloskelettalen und systemischen Erkrankungen zeigte sich, dass patientenberichteten und der performanzbasierten Messungen ein gemeinsames Konstrukt der „allgemeinen körperlichen Funktionsfähigkeit“ zugrunde liegt. Damit sind zentrale methodische Voraussetzungen für eine Kalibrierung beider Messansätze auf eine gemeinsame Skala erfüllt. Der nächste Schritt umfasst die Entwicklung entsprechender Algorithmen, beispielsweise durch Methoden der Item-Response-Theorie oder klassische Ansätze wie dem Equiperzentil-Linking [4]. Die Möglichkeit zur Abbildung unterschiedlicher Bewertungsinstrumente und Messmethoden auf einer standardisierten Skala hat erhebliches Potential mit Hinblick auf die Vergleichbarkeit, Interpretation und Zusammenführung von Studienergebnissen. Zudem ermöglicht dieser Ansatz die Identifikation von individuellen Diskrepanzen zwischen der subjektiven und der objektiven Leistungsfähigkeit, was im Rahmen der Diagnostik und der personalisierten Behandlungsplanung genutzt werden kann.


References

[1] Sabet TS, Anderson DB, Stubbs PW, Buchbinder R, Terwee CB, Chiarotto A, Gagnier J, Verhagen AP. Pain and physical function are common core domains across 40 core outcome sets of musculoskeletal conditions: a systematic review. J Clin Epidemiol. 2025 Apr;180:111687. DOI: 10.1016/j.jclinepi.2025.111687
[2] van Tuyl LH, Boers M. Patient-reported outcomes in core domain sets for rheumatic diseases. Nat Rev Rheumatol. 2015 Dec;11(12):705-12. DOI: 10.1038/nrrheum.2015.116
[3] Liegl G, Obbarius A, Rose M, Fischer KI, Stengel A, Knebel F, Buttgereit F, Nolte S. Frequently Used Patient-Reported Outcome Measures of General Physical Function Were Highly Correlated With a Multitask Performance Outcome Test Battery. Value Health. 2022 Oct;25(10):1752-9. DOI: 10.1016/j.jval.2022.05.008
[4] Schalet BD, Lim S, Cella D, Choi SW. Linking Scores with Patient-Reported Health Outcome Instruments:A VALIDATION STUDY AND COMPARISON OF THREE LINKING METHODS. Psychometrika. 2021 Sep;86(3):717-46. DOI: 10.1007/s11336-021-09776-z