German Congress of Orthopaedics and Traumatology (DKOU 2025)
Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie 2025 (DKOU 2025)
Nervus ulnaris Läsion in der Guyon-Loge bei Leprabefall – ein seltener Fallbericht
Text
Zielsetzung und Fragestellung: Lepra ist eine seltene, chronische Infektionskrankheit, die durch Mycobacterium leprae verursacht wird und vorrangig Haut und periphere Nerven befällt. Aufgrund ihrer niedrigen Inzidenz in vielen Teilen der Welt kann die Diagnose bei atypischer Präsentation erschwert sein. Wir präsentieren den Fall einer seltenen Läsion des N. ulnaris in der Guyon-Loge.
Material und Methoden: Eine 29-jährige brasilianische Patientin wurde in der Ambulanz bei seit drei Wochen bestehender druckdolenter und geröteter Hautveränderung im Bereich des Hypothenars vorstellig (s. Abbildung 1 [Fig. 1]). An der Hand bestand im Versorgungsgebiet des N. ulnaris ein vermindertes Gefühlsempfinden. Zudem zeigte sich eine Kleinfingerabduktionsschwäche und eine unvollständige Streckung von D4/5. Laborchemisch fanden sich keine erhöhten Infektparameter, MR-graphisch eine Kutisverdickung und diffuse subcutane und intramuskuläre Kontrastmittelaufnahmen.
Die Indikation zur Spaltung der Guyon-Loge und Neurolyse wurde gestellt. Biopsien vom Haut- und Nervengewebe sowie der Hypothenarmuskulatur wurden aufgearbeitet. Histologisch zeigte sich eine chronische granulomatöse Entzündung mit Nachweis von säurefesten Stäbchen in der Ziehl-Neelsen-Färbung. Der Verdacht der tuberkuloiden Lepra konnte durch eine positive M. leprea Serologie (IgM) und dem Nachweis einer positiven PCR im Referenzlabor (Bernhard Nocht Institut) bestätigt werden. Gemeinsam mit Beschluss im Infektiologieboard wurde eine dreifach Antibiose mit Dapson, Rifampicin und Flucloxacillin für ein Jahr eingeleitet. Bei neuropathischen Schmerzen wurde die Medikation um Pregabalin erweitert. In der Nervenleitgeschwindigkeit präsentierte sich eine deutliche Verlangsamung des N. ulnaris (22 m/s). Bei Läsion des N. ulnaris den Ramus superficialis und profundus betreffend wurde intensive Handtherapie eingeleitet und engmaschige Kontrollen durchgeführt. Ein Jahr nach Therapiebeginn präsentierte die Patientin eine nahezu freie Funktion der Hand mit leicht reduzierter Sensibilität im Ulnaris Versorgungsgebiet und einer Zwei-Punkt-Diskrimination von 6mm. Die Nervenleitgeschwindigkeit verblieb auch nach 4 Jahren verzögert (20 m/s links, 64m/s rechts) mit einer erhöhten distal motorischen Latenz (4,6 ms links/2,0 ms rechts). Im Nachuntersuchungszeitraum von fünf Jahren ergab es keinen Hinweis auf ein Rezidiv. Der DASH-Score (Disabilities of Arm, Shoulder and Hand) ergab mit 27 Punkten eine moderate verbliebene Einschränkung.
Ergebnisse: Dieser Fall unterstreicht die Bedeutung der differenzialdiagnostischen Berücksichtigung von Lepra bei unklaren Neuropathien, insbesondere bei Patienten mit entsprechender Reise- oder Herkunftsanamnese. Da die Erkrankung in vielen Ländern nur noch sporadisch auftritt, ist sie im klinischen Alltag oft nicht in der primären Verdachtsdiagnose enthalten. Der Nachweis in einer Nervenbiopsie ist selten, aber pathognomonisch. Die frühzeitige Diagnosestellung und Therapieeinleitung sind essenziell, um bleibende neurologische Schäden zu minimieren.
Diskussion und Schlussfolgerung: Lepra sollte bei chronischen Neuropathien mit unklarer Genese und assoziierten Hautveränderungen in Betracht gezogen werden, insbesondere bei Patienten mit Risikofaktoren.




