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41. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.
25.-28.09.2025
Münster


Vortrag

Psychogene Schluckstörung – häufige Fehldiagnose mit weitreichenden Folgen

J.-C. Koseki 1
C. Pflug 1
1Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Klinik für Hör-, Stimm- und Sprachheilkunde, Hamburg, Deutschland

Abstract

Hintergrund: Psychogene Schluckstörungen werden relativ häufig diagnostiziert. In der Literatur sind lediglich für Globusgefühl Zahlen zu psychogener Ursache auffindbar, diese schwanken zwischen 1% und 14% der Patienten. Bei Nachuntersuchung von als psychogen klassifizierten Patienten fiel bereits 1989 auf, dass lediglich etwa 1/3 (34,8%) keine sichtbare somatische Ursache der Beschwerden präsentieren. Weitere epidemiologische Daten fehlen. Hier werden mehrere Fälle vorgestellt, die, teilweise über mehrere Jahre hinweg, unter der fälschlichen Diagnose einer psychogenen Schluckstörung geführt wurden.

Material und Methoden: Drei Patienten aus unserer Tagesklinik, alle mit massiven Einschränkungen in der oralen Nahrungsaufnahme und teilweise mit extremen Gewichtsabnahmen werden vorgestellt.

Ergebnisse: Fall 1: Ein Patient entwickelt eine Vagusparese nach Embolisation einer duralen AV-Fistel. Diese wurde zunächst fälschlicherweise als Recurrensparese interpretiert und der Patient mit der Aussage entlassen, dass kein Grund für seine Ernährungsprobleme bestehe. Vor der Erstvorstellung in unserer Tagesklinik hatte er in den 37 Tagen seit Embolisation 13 kg abgenommen. Die Diagnose wurde im Rahmen der FEES gestellt.

Fall 2: Eine Patientin leidet seit fünf Jahren unter schwerer Dysphagie und hat in diesem Zeitraum 15 kg abgenommen. Sie wurde über Jahre hinweg psychotherapeutisch behandelt, da in der FEES lediglich geringe Residuen bei minimalen akzeptierten Boli auffällig waren. Die Diagnose eines Jackhammer-Ösophagus wurde mittels Ösophagus-Manometrie gestellt.

Fall 3: Ein Patient klagt seit über drei Jahren über zunehmende Schluckprobleme. Initial bestand der Verdacht auf ein Zenker-Divertikel, das sich intraoperativ nicht bestätigt. Der Patient kann bei Erstvorstellung nur noch Breikost oral zu sich nehmen, die Dauer der Mahlzeiten ist extrem verlängert. Das Gewicht wird mit Süßigkeiten gehalten. Eine neurologische Untersuchung war extern unauffällig. Nach auffälliger FEES erfolgte eine stationäre neurologische Abklärung, in deren Rahmen ein myasthenes Syndrom diagnostiziert wurde. Auf Mestinon sofortiges Ansprechen und schlagartige Besserung.

Schlussfolgerungen: Die drei Fälle sollen in ihrer Unterschiedlichkeit daran erinnern, dass eine psychogene Schluckstörung nur nach Ausschluss aller möglichen somatischen Erkrankungen erfolgen sollte.

Text

Hintergrund

Psychogene Schluckstörungen werden relativ häufig diagnostiziert. In der Literatur sind lediglich für Globusgefühl Zahlen zu psychogener Ursache auffindbar, diese schwanken zwischen 1% [1] und 14% der Patienten [2]. Bei Nachuntersuchung von als psychogen klassifizierten Patienten fiel bereits 1989 auf, dass lediglich etwa 1/3 (34,8%) keine sichtbare somatische Ursache der Beschwerden präsentieren [2]. Weitere epidemiologische Daten fehlen [3]. Hier werden mehrere Fälle vorgestellt, die, teilweise über mehrere Jahre hinweg, unter der fälschlichen Diagnose einer psychogenen Schluckstörung geführt wurden.

Material und Methoden

Drei Patienten aus unserer Tagesklinik, alle mit massiven Einschränkungen in der oralen Nahrungsaufnahme und teilweise mit extremen Gewichtsabnahmen werden vorgestellt.

Ergebnisse

Fall 1: Ein Patient entwickelt eine Vagusparese nach Embolisation einer duralen AV-Fistel. Diese wurde zunächst fälschlicherweise als Recurrensparese interpretiert und der Patient mit der Aussage entlassen, dass kein Grund für seine Ernährungsprobleme bestehe. Vor der Erstvorstellung in unserer Tagesklinik hatte er in den 37 Tagen seit Embolisation 13 kg abgenommen. Die Diagnose wurde im Rahmen der FEES gestellt; die vom Patienten mitgebrachten Filme der post-interventionellen HNO-ärztlichen Larynxkontrolle zeigte, über einen einseitigen Stimmlippenstillstand hinaus, eindeutig eine Schlundlähmung. Mit dem Patienten konnte eine „Choreographie“ von Übungen erarbeitet werden, die ihn nicht weiter Gewicht verlieren ließ. Der Patient profitierte zwischenzeitlich stimmlich von einer Unterfütterung der stillstehenden Stimmlippe. Die Vagusparese bildete sich nach mehreren Monaten zurück, die Stimmlippenparese persistierte.

Fall 2: Eine Patientin leidet seit fünf Jahren unter schwerer Dysphagie und hat in diesem Zeitraum 15 kg abgenommen. Sie wurde über Jahre hinweg psychotherapeutisch behandelt, da in der FEES lediglich geringe Residuen bei minimalen in der Untersuchung akzeptierten Boli auffällig waren. Die Diagnose eines Jackhammer Ösophagus wurde mittels Ösophagus-Manometrie (HRM) gestellt. Eine Wiedervorstellung nach gastroenterologischer Intervention in einem anderen Krankenhaus ist bisher nicht erfolgt.

Fall 3: Ein Patient klagt seit über drei Jahren über zunehmende Schluckprobleme. Initial bestand der Verdacht auf ein Zenker-Divertikel, das sich intraoperativ nicht bestätigte. Der Patient kann bei Erstvorstellung nur noch Breikost oral zu sich nehmen, die Dauer der Mahlzeiten ist extrem verlängert. Seine Ehefrau passt ihr Kochen von sich aus entsprechend an. Das Gewicht wird mit Süßigkeiten gehalten. Eine neurologische Untersuchung war extern unauffällig; weitere Beschwerden bestehen nicht. Nach auffälliger FEES, die viele Residuen und eine starke Ermüdung im Laufe der Untersuchung zeigte, erfolgte eine stationäre neurologische Abklärung, in deren Rahmen ein myasthenes Syndrom diagnostiziert wurde. Auf Mestinon sprach der Patient sofort an, die Beschwerden besserten sich schlagartig. Diese Besserung konnte auch im Rahmen einer HRM direkt visualisiert werden.

Schlussfolgerungen

Die drei Fälle sollen in ihrer Unterschiedlichkeit daran erinnern, dass eine psychogene Schluckstörung nur nach Ausschluss aller möglichen somatischen Erkrankungen erfolgen sollte.


References

[1] Malcomson KG. Radiological findings in globus hystericus. Br J Radiol. 1966 Aug;39(464):583-6. DOI: 10.1259/0007-1285-39-464-583
[2] Ravich WJ, Wilson RS, Jones B, Donner MW. Psychogenic dysphagia and globus: reevaluation of 23 patients. Dysphagia. 1989;4(1):35-8. DOI: 10.1007/BF02407400
[3] Wagner-Sonntag E. Neuropsychosomatische Aspekte Von Schluckstörungen. Nervenheilkunde. 2014;33:54-6. DOI: 10.1055/s-0038-1627668