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41. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.
25.-28.09.2025
Münster


Vortrag

Hörsystemversorgung von Kindern mit permanenter Schwerhörigkeit im Deutschen Zentralregister für kindliche Hörstörungen

L. Hahn 1
M. Fleischer 1
F. Wohlfarth 1
J. Althaus 2
D. Mürbe 1
1Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, Klinik für Audiologie und Phoniatrie, Berlin, Deutschland
2Universitätsspital Zürich, Klinik für Ohren-, Nasen-, Hals- und Gesichtschirurgie, Zürich, Schweiz

Abstract

Hintergrund: Die Nutzung epidemiologischer Daten zur Hörsystemversorgung von Kindern und Jugendlichen mit permanenten Hörstörungen ermöglicht es, bestehende Versorgungslücken aufzuzeigen um die Versorgungsqualität im Verlauf zu optimieren. Durch das Deutsche Zentralregister für kindliche Hörstörungen (DZH) können Fragen zur Versorgung, etwa bei verschiedenen Graden der Schwerhörigkeit, bei uni- und bilateraler Hörstörung (HS) oder bei Kindern ohne und mit Komorbiditäten, beantwortet werden.

Material und Methoden: Im Sommer 2024 umfasste das DZH die Datenspenden von 16.425 Kindern und Jugendlichen. Für 12.116 Kinder lagen nach Bereinigung fehlender oder unplausibler Werte Angaben zur Versorgung und zur Hörschwelle bei mindestens 4 Frequenzen für jedes betroffene Ohr vor. Um Änderungen der Versorgungsart im Zeitverlauf deskriptiv zu analysieren, erfolgte die Unterteilung in 5-Jahreskohorten nach Geburtsjahr ab 1994–1998, etc. bis 2019–2024. Untersucht wurden das Alter bei Erstversorgung mit einem Hörsystem und die Art der Versorgung in Abhängigkeit vom Grad der Schwerhörigkeit nach WHO 2021 im Zeitverlauf.

Ergebnisse: Das Alter bei Therapiebeginn (Median, 1., 3. Quartil) lag vor Einführung des gesetzlichen Neugeborenenhörscreenings (bis 2008) für bilaterale HS bei 3;3 Jahren (1;3, 5;10 J.) und für unilaterale HS bei 5;10 Jahren (4;4, 7;8 J.). Ab 2009 sank das Alter bei Therapiebeginn deutlich, für bilaterale HS auf 10 Monate (0;4, 3;5 J.), für unilaterale auf 1 Jahr (0;5, 4;11 J.). Die Versorgung wurde konstant innerhalb eines Monats nach Diagnosestellung eingeleitet. Insgesamt erfolgte am häufigsten die Versorgung mit Luftleitungs-Hörgeräten (86% bei bilateraler, 47% bei unilateraler HS). Bei Kindern mit unilateraler HS nahm in den letzten 30 Jahren der Anteil unversorgter Kinder von 36% auf 3% ab. Im gleichen Zeitraum zeigte sich bei Kindern mit Komorbidität ein Anstieg der Versorgung mit Knochenleitungs-Hörgeräten von 3% auf 12%. Unabhängig von Komorbiditäten stieg der Anteil Cochleaimplantat-versorgter Kinder von 4% auf 12%.

Schlussfolgerungen: Es zeigt sich eine positive Entwicklung der technischen Versorgung mit Hörsystemen in den letzten 30 Jahren. Jedoch ist davon auszugehen, dass die Daten einem Selektionsbias unterliegen, da vorrangig hochqualifizierte Fachärzte an das DZH melden. Eine zukünftige Verknüpfung, etwa mit Routinedaten der GKV, könnte potenzielle Versorgungbedarfe noch besser abbilden.

Text

Hintergrund

Epidemiologische Daten zur Hörsystemversorgung von Kindern und Jugendlichen mit permanenten Hörstörungen können genutzt werden, um bestehende Versorgungslücken aufzuzeigen und die Versorgungsqualität zu optimieren [1], [2]. Das Deutsche Zentralregister für kindliche Hörstörungen (DZH) kann zudem Fragen zur Versorgung bei spezifischen Patientengruppen, etwa mit verschiedenen Graden und Arten der Schwerhörigkeit, mit uni- und bilateraler Hörstörung (HS) oder bei Kindern ohne und mit Komorbiditäten beantworten.

Material und Methoden

Im Jahr 2024 umfasste das DZH die Daten von 16.425 Kindern und Jugendlichen. Für 12.116 Kinder lagen nach Bereinigung fehlender oder unplausibler Werte Angaben zur Versorgung und zur Hörschwelle bei mindestens 4 Frequenzen für jedes betroffene Ohr vor. Um Änderungen der Versorgungsart im Zeitverlauf deskriptiv zu analysieren, erfolgte die Unterteilung in 5-Jahreskohorten nach Geburtsjahr ab 1994–1998, etc. bis 2019–2024. Untersucht wurden das Alter bei Erstversorgung mit einem Hörsystem und die Art der Versorgung in Abhängigkeit vom Grad der Schwerhörigkeit nach WHO 2021 im Zeitverlauf.

Ergebnisse

Das Alter bei Therapiebeginn (Median, 1., 3. Quartil) lag für die Grundgesamtheit aller ins DZH eingebundenen Kinder und Jugendlichen vor Einführung des gesetzlichen Neugeborenenhörscreenings (NHS) bis 2008 für bilaterale HS bei 3;3 Jahren (1;3, 5;10 J.) und für unilaterale HS bei 5;10 Jahren (4;4, 7;8 J.). Ab 2009 sank das Alter bei Therapiebeginn deutlich, für bilaterale HS auf 10 Monate (0;4, 3;5 J.), für unilaterale auf 1;0 Jahr (0;5, 4;11 J.). Die Versorgung wurde konstant innerhalb eines Monats nach Diagnosestellung eingeleitet. Insgesamt erfolgte am häufigsten die Versorgung mit Luftleitungs-Hörgeräten (86% bei bilateraler, 47% bei unilateraler HS). Bei Kindern mit unilateraler HS, bei denen alle Angaben zur Versorgung und Hörschwelle vorlagen, nahm in den letzten 30 Jahren der Anteil unversorgter Kinder von 36% auf 3% ab. Im gleichen Zeitraum zeigte sich bei Kindern mit Komorbidität ein Anstieg der Versorgung mit Knochenleitungs-Hörgeräten von 3% auf 12%. Unabhängig von Komorbiditäten stieg der Anteil Cochleaimplantat-versorgter Kinder von 4% auf 12%.

Diskussion

Der Therapie- bzw. Versorgungszeitpunkt mit Hörsystemen konnte für die im DZH erfassten Kinder durch Einführung des gesetzlichen NHS 2009 deutlich gesenkt werden. Das gleichbleibend kurze Intervall zwischen Diagnose und Versorgung von ca. 1 Monat deutet auf eine hohe Qualität der fachärztlichen Versorgungsabläufe. Zudem lässt sich die Indikationserweiterung implantierbarer Hörsysteme, vorrangig von Cochlea-Implantaten, nachvollziehen [3]. Bedacht werden muss, dass die Daten sicherlich einem Selektionsbias unterliegen, da einerseits vorrangig hochspezialisierte niedergelassene Fachärzte und pädaudiologische Zentren an das DZH melden und andererseits die Meldungen nicht flächendeckend erfolgen. Hier könnte eine Verknüpfung mit Routinedaten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) oder perspektivisch mit weiteren Registern zu einer besseren Einschätzung der Versorgungsrealität führen [1], [2], [3], [4].

Fazit/Schlussfolgerungen

Im DZH zeigt sich eine positive Entwicklung der technischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Hörsystemen in den letzten 30 Jahren. Eine zukünftige Verknüpfung mit Routinedaten der GKV oder weiteren Registern könnte potenzielle Versorgungbedarfe noch besser abbilden.


References

[1] Pützer E, van de Sand H, Filip J, Schubert I, Marschall U, Meyer I, Schäfer K. Provision of hearing technology in children and adolescents with permanent hearing loss in Germany. HNO. 2025 Jun 17. DOI: 10.1007/s00106-025-01617-0
[2] Mattsson TS, Nilsen AH, Wennberg S. Establishment of the Norwegian hearing register for children. Front Hum Neurosci. 2024 Jul 29;18:1400005. DOI: 10.3389/fnhum.2024.1400005
[3] Hirschfelder A, Lüske J, Wohlfarth F, Müller L, Mürbe D. Zeigt sich die Entwicklung der Indikationserweiterung zur Cochleaimplantat-Versorgung bei Kindern und Jugendlichen im Deutschen Zentralregister für kindliche Hörstörungen (DZH)? In: 37. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). 17.-18.09.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocV10 DOI: 10.3205/21dgpp21
[4] Stöver T, Plontke SK, Lai WK, Zahnert T, Guntinas-Lichius O, Welkoborsky HJ, Aschendorff A, Deitmer T, Loth A, Lang S, Dazert S. The German cochlear implant registry: one year experience and first results on demographic data. Eur Arch Otorhinolaryngol. 2024 Oct;281(10):5243-54. DOI: 10.1007/s00405-024-08775-x