Logo

Künstliche Intelligenz: Die digitale Zukunft in der Pflege gestalten. 9. Fachtagung Technik – Ethik – Gesundheit


20.-21.05.2025
Nürnberg


Meeting Abstract

Sprachbasierte Assistenten in der Palliativversorgung: Ein konzeptioneller Rahmen für personalisierte Integration unter Berücksichtigung ethischer Implikationen

1Hochschule Ruhr West, Bottrop, Deutschland

Text

Einleitung & Motivation

Die Integration künstlicher Intelligenz (KI), insbesondere sprachbasierter Assistenten, in die Palliativversorgung eröffnet neue Möglichkeiten, wirft jedoch auch komplexe ethische Fragen auf [1], [2]. KI kann Entscheidungsprozesse unterstützen, Pflege personalisieren und die Kommunikation zwischen Patient:innen, Angehörigen und Fachpersonal verbessern [3], [4]. Dennoch ist ihr Einsatz im Bereich der Sterbebegleitung bislang begrenzt und erfordert besondere ethische Sorgfalt [5], [6].

Zunehmend thematisiert die Literatur das Potenzial sprachgesteuerter Systeme [2], [4] sowie Datenschutz- und Ethikfragen, die besonders in sensiblen Kontexten relevant sind [7], [8]. Im Palliativbereich gewinnen Aspekte wie Vertrauen, Würde und Autonomie zusätzliche Bedeutung [9], [10]. Auch bleibt die Zugänglichkeit solcher Systeme für kognitiv oder körperlich beeinträchtigte Personen bislang unzureichend erforscht [11], [12].

Die vorliegende Untersuchung entwickelt einen konzeptuellen Rahmen für die ethisch fundierte, personalisierte Integration sprachbasierter Assistenten in die Palliativversorgung. Aufbauend auf Erkenntnissen aus KI-gestützter Gesundheitsversorgung [1], [2], palliativer Kommunikation [5], [13] und digitaler Ethik [6], [8] werden technologische Potenziale und moralische Anforderungen beleuchtet. Der Rahmen adressiert zentrale Herausforderungen wie Datenschutz, Einwilligung, emotionale Sensibilität und algorithmische Verzerrungen [7], [14] und zeigt auf, wie menschenzentrierte Sprachtechnologien vulnerablen Gruppen gerecht werden können.

Material & Methoden

Die vorliegende Arbeit verfolgt einen theoretischen Ansatz zur Entwicklung eines konzeptuellen Rahmens [15], um die ethisch fundierte und personalisierte Integration sprachbasierter Assistenten in die Palliativversorgung zu strukturieren. Aufgrund des nicht-empirischen Charakters wurde eine Drei-Phasen-Methodik angewandt, um interdisziplinäre Erkenntnisse zu bündeln und praxisrelevante Impulse zu generieren.

In Phase eins erfolgte eine gezielte Literaturrecherche zu KI im Gesundheitswesen, palliativer Kommunikation und digitaler Ethik. Mithilfe definierter Schlüsselwörter wurden relevante Publikationen aus Datenbanken wie PubMed und ACM identifiziert und entlang der Kategorien technologische Anpassung, klinische Kommunikation und ethische Schutzmechanismen eingeordnet. Der Fokus lag dabei auf theoretisch und praktisch relevanten Beiträgen der letzten Jahre; methodische Einheitlichkeit war von untergeordneter Bedeutung.

In Phase zwei wurden die Erkenntnisse zu einem patientenzentrierten Rahmen verdichtet, der die bedarfsgerechte Anpassung sprachbasierter Assistenten, ihre Integration in klinische Prozesse und die Einhaltung ethischer Standards betont.

Phase drei umfasste die konzeptuelle Verfeinerung anhand theoretischer Kohärenz, Anschlussfähigkeit und praktischer Relevanz. Der resultierende Rahmen beleuchtet das komplexe Zusammenspiel von Technologie, Kommunikation und Ethik in der Sterbebegleitung und dient als Ausgangspunkt für zukünftige Forschung und verantwortungsvolle Innovationen in diesem sensiblen Feld.

Ergebnisse

Der vorgeschlagene konzeptuelle Rahmen skizziert einen strukturierten Ansatz zur Integration sprachbasierter Assistenten in die Palliativversorgung, gestützt auf drei zentrale Bereiche: Kommunikation, technologische Anpassung und ethische Schutzmechanismen. Der Abschnitt fasst zentrale Erkenntnisse aus einer interdisziplinären Literaturanalyse zusammen und legt konzeptionelle Schwerpunkte für zukünftige Entwicklungen offen.

Kommunikation

Eine wirksame und mitfühlende Kommunikation bildet das Fundament der Palliativversorgung und ermöglicht es Betroffenen, Bedürfnisse und Werte in vulnerablen Phasen zu artikulieren [5], [9]. Der Rahmen betont, dass sprachbasierte Assistenten klare, einfühlsame und kontextsensitive Interaktionen erleichtern sollten, indem sie sowohl den Dialog zwischen Patient und Arzt als auch transparente Updates für die Familien unterstützen. Studien betonen, dass digitale Hilfsmittel das Vertrauen nicht untergraben und die Beziehungsqualität der Pflege nicht verringern dürfen [3], [9]. Insbesondere für Menschen mit Sprach- oder kognitiven Einschränkungen kann gezielte Assistenz die Autonomie und soziale Teilhabe stärken [11], [12].

Technologische Anpassung

Personalisierung ist entscheidend, um die Würde und Autonomie der Patient:innen in der Palliativversorgung zu wahren. Der Rahmen betont die Notwendigkeit adaptiver Systeme, die kulturelle, sprachliche und emotionale Unterschiede berücksichtigen [6], [8]. Sprachassistenten sollten flexible Interaktionsmodi bieten und persönliche Werte in die Pflegeplanung einbinden [2], [4]. Jedoch haben bestehende NLP-Systeme oft Schwierigkeiten mit Sprachunregelmäßigkeiten, die durch neurodegenerative Erkrankungen oder Erschöpfung verursacht werden. Studien betonen die Bedeutung von anpassungsfähigen Schnittstellen, die atypische Sprachmuster erkennen können, über wechselnde kognitive Zustände hinweg arbeiten und multimodale Eingaben ermöglichen, wenn die Sprachinteraktion nicht ausreicht [11], [12]. Die Anbindung an elektronische Gesundheitsakten kann die Kontextsensitivität erhöhen, wirft jedoch kritische Fragen zur Datensicherheit, Interoperabilität und den Begrenzungen bei der qualitativen Datenerfassung auf [16].

Ethische Schutzmechanismen

Ethische und praktische Überlegungen, einschließlich Datenschutz, informierter Einwilligung, algorithmischer Verzerrung und emotionaler Angemessenheit, sind im gesamten Rahmen integriert [7], [14]. Angesichts der besonderen Verletzlichkeit von Palliativpatient:innen ist eine transparente Kommunikation über die Funktionsweise von KI-Systemen sowie DSGVO-konformer Datenschutz unerlässlich [6], [17], [18]. Darüber hinaus sollten Schulungsprogramme für Gesundheitsfachkräfte Module zur KI-Ethik beinhalten, die Nachvollziehbarkeit und patientenzentriertes Design betonen, während Feedbackmechanismen die von Patienten berichteten Ergebnisse priorisieren sollten, um im Einklang mit den Werten der Palliativversorgung zu bleiben [18].

Diskussion

Sprachbasierte Assistenten haben das Potenzial, die Kommunikation zu verbessern und patientenzentrierte Pflege in der Palliativversorgung zu fördern. Wie der konzeptionelle Rahmen zeigt, erfordert ihre Implementierung jedoch die gleichzeitige Berücksichtigung ethischer, technischer und relationaler Aspekte.

Sprachbasierte Assistenten bieten transformative Möglichkeiten, Kommunikationslücken in der Palliativversorgung zu überbrücken, insbesondere für Patient:innen mit kognitiven oder sprachlichen Einschränkungen. Durch die Ermöglichung von kontextsensitiven Interaktionen und transparenten Updates können diese Tools den Dialog zwischen Patient und medizinischem Personal unterstützen, ohne die zwischenmenschliche Qualität der Versorgung zu gefährden [5], [9], [12]. Allerdings gibt es nur begrenzte empirische Belege für ihre tatsächliche Leistung in realen palliativmedizinischen Umfeldern [11]. Ihr Design sollte die menschliche Expertise priorisieren und multimodale Eingaben (z. B. Gestenerkennung) integrieren, um das Urteil von Klinikern zu ergänzen und Einschränkungen bestehender NLP-Systeme zu adressieren [11], [12]. Partizipative Designansätze, die Patient:innen und medizinisches Personal einbeziehen, können die Entwicklung von Sprachtechnologien unterstützen, die besser auf die Bedürfnisse der Patienten abgestimmt sind [18].

Personalisierung ist entscheidend, um die Autonomie der Patient:innen zu respektieren. Gleichzeitig erfordert sie adaptive Systeme, die mit kulturellen Präferenzen und atypischen Sprachmustern umgehen können [6], [8]. Dennoch erfordern algorithmische Verzerrungen und Datenschutzrisiken, wie sie durch die Integration elektronischer Gesundheitsakten (EHR) entstehen, robuste Schutzmaßnahmen, einschließlich DSGVO-konformer Verschlüsselung und partizipativer Designmethoden zur Überprüfung von Trainingsdatensätzen [7], [14]. Offene Fragen zur Datenrepräsentativität, Interpretierbarkeit und Interoperabilität bleiben zentrale Hürden [16].

Die Integration solcher Systeme sollte ethisch fundierte Innovationen fördern, die technologische Leistungsfähigkeit mit Mitgefühl, Würde und Vertrauen verbinden. Der Rahmen bietet dafür keine universelle Lösung, sondern Leitlinien für Design, Reflexion und klinische Umsetzung. Zukünftige Forschungen, einschließlich Pilotstudien und partizipativer Co-Design-Ansätze, sollten die reale Nutzbarkeit, den klinischen Wert und die Auswirkungen auf therapeutische Beziehungen untersuchen, unter Einbeziehung von Fachkräften wie Sprachtherapeuten (SLPs), die für die Kommunikationsunterstützung eine zentrale Rolle spielen [3], [9], [10], [18]. Die Verankerung von KI- und Ethikkompetenz in der Ausbildung im Gesundheitswesen wird zudem sicherstellen, dass diese Technologien die menschliche Verbindung am Lebensende stärken und nicht ersetzen [6], [17].


Literatur

[1] Duong A, Valero M. Usability of voice assistants in healthcare: a systematic literature review. In: Salvi D, Van Gorp P, Shah SA, editors. Pervasive Computing Technologies for Healthcare. Proceedings 17th EAI International Conference PervasiveHealth 2023; 2023 Nov 27-29; Malmö, Sweden. Cham: Springer; 2024. p. 386-401.
[2] Saripalle R, Patel R. From command to care: a scoping review on utilization of smart speakers by patients and providers. Mayo Clinic Proceedings: Digital Health. 2024;2(2):207-20.
[3] Jeddi Z, Bohr A. Remote patient monitoring using artificial intelligence. In: Bohr A, Memarzadeh K, editors. Artificial Intelligence in Healthcare. Academic Press; 2020. p. 203-234.
[4] Ganni E, Razaghizad A, Oulousian E, Chung P, Ni J, Avram R, Sharma A. Attitudes about artificially intelligent interactive voice response systems using Amazon Alexa in cardiovascular clinics: insights from the VOICE-COVID-19 study. Journal of Cardiovascular Translational Research. 2023;16(3):541-5.
[5] Chahda L, Carey LB, Mathisen BA, Threats T. Speech-language pathologists and adult palliative care in Australia. International Journal of Speech-Language Pathology. 2021;23(1):57-69.
[6] Abiodun A, Akingbola A, Ojo O, Jessica OU, Alao UH, Shagaya U, Adewole O, Abdullahi O. Ethical challenges in the integration of artificial intelligence in palliative care. Journal of Medicine, Surgery, and Public Health. 2024:100158.
[7] Cheng P, Roedig U. Personal voice assistant security and privacy - a survey. Proceedings of the IEEE. 2022;110(4):476-507.
[8] Williamson SM, Prybutok V. Balancing privacy and progress: a review of privacy challenges, systemic oversight, and patient perceptions in AI-driven healthcare. Applied Sciences. 2024;14(2):675.
[9] Dias C, Rodrigues IT, Gonçalves H, Duarte I. Communication strategies for adults in palliative care: the speech-language therapists’ perspective. BMC Palliative Care. 2024;23(1):49.
[10] Nwosu AC, McGlinchey T, Sanders J, Stanley S, Palfrey J, Lubbers P, Chapman L, Finucane A, Mason S. Identification of digital health priorities for palliative care research: modified Delphi study. JMIR Aging. 2022;5(1):e32075.
[11] Ferizaj D, Neumann S. Assessing perceptions and experiences of an AI-driven speech assistant for nursing documentation: a qualitative study in German nursing homes. In: International Conference on Human-Computer Interaction; 2024 Jun 29 - 4 Jul; Washington DC, USA. Cham: Springer Nature; 2024. p. 17-34.
[12] Huq SM, Maskeliūnas R, Damaševičius R. Dialogue agents for artificial intelligence-based conversational systems for cognitively disabled: a systematic review. Disability and Rehabilitation: Assistive Technology. 2024;19(3):1059-78.
[13] Creutzfeldt CJ, Kluger BM, Holloway RG. Neuropalliative care: an introduction. In: Creutzfeldt CJ, Kluger BM, Holloway RG, editors. Neuropalliative Care: A Guide to Improving the Lives of Patients and Families Affected by Neurologic Disease. Cham: Springer; 2019. p. 1-8.
[14] Tazi F, Dykstra J, Rajivan P, Das S. Sok: Evaluating privacy and security vulnerabilities of patients’ data in healthcare. In: International Workshop on Socio-Technical Aspects in Security; 2021 Oct 8; Luxembourg. Cham: Springer; 2021. p. 153-181.
[15] Kivunja C. Distinguishing between theory, theoretical framework, and conceptual framework: A systematic review of lessons from the field. International Journal of Higher Education. 2018;7(6):44-53.
[16] Finucane AM, O’Donnell H, Lugton J, Gibson-Watt T, Swenson C, Pagliari C. Digital health interventions in palliative care: a systematic meta-review. NPJ Digital Medicine. 2021;4(1):64.
[17] Vimalkumar M, Sharma SK, Singh JB, Dwivedi YK. ‘Okay google, what about my privacy?’: User’s privacy perceptions and acceptance of voice based digital assistants. Computers in Human Behavior. 2021;120:106763.
[18] Oh O, Demiris G, Ulrich CM. The ethical dimensions of utilizing Artificial Intelligence in palliative care. Nursing Ethics. 2024:09697330241296874.