Deutscher Rheumatologiekongress 2025
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AYLo Studie – AutoimmunitY and Loss of Y. Erhöhtes Rezidivrisiko und inflammatorische Dysregulation bei Patienten mit Riesenzellarteriitis und Mosaikverlust des Y-Chromosoms
2Universitätsklinikum Bonn, Institut für klinische Chemie und klinische Pharmakologie, Bonn
3Universitätsklinikum Bonn, Medizinische Klinik II, Bonn
Text
Einleitung: Der Mosaikverlust des Y-Chromosoms (mLOY) in Leukozyten ist die häufigste erworbene somatische Mutation bei älteren Männern. Pathophysiologisch führt der Verlust epigenetischer Modulatoren auf dem Y-Chromosom zu einer Aktivierung proinflammatorischer Signalwege (z.B. MAPK) und Dysregulation von Immunzellpopulationen (z.B. Treg- und Th17-Zellen). Dies legt eine Rolle von mLOY bei altersassoziierten entzündlichen Erkrankungen wie der Riesenzellarteriitis (RZA) nahe. Ob mLOY wirklich zur Pathogenese und Krankheitsaktivität der RZA beiträgt, wurde bisher nicht untersucht. Ziel der AYLo Studie war es daher, die klinische Relevanz und pathophysiologische Rolle von mLOY bei RZA-Patienten zu untersuchen.
Methoden: In dieser Querschnittsstudie wurden männliche Patienten mit RZA rekrutiert. Die Bestimmung des mLOY Anteils erfolgte mittels digitaler Droplet-PCR (ddPCR) unter Verwendung eines single nucleotide polymorphism (SNP) Assays zur Unterscheidung von AMELX und AMELY (Thermo Fisher Scientific). Der optimale Schwellenwert der mLOY Fraktion zur Vorhersage eines Rezidivs wurde mittels ROC-Analyse und Youden-Index definiert. Das rezidivfreie Überleben wurde univariat mittels Kaplan-Meier-Analyse und Log-Rank-Test untersucht. Zur Adjustierung potenzieller Confounder wurde eine multivariable Cox-Regression durchgeführt. Zytokinprofile wurden aus Serumproben mittels Multiplex-Assay (LEGENDplex™ Human Inflammation Panel 1, BioLegend) quantifiziert. Dabei wurden IL1β, IFNα2, IFNγ, TNFα, MCP1, IL6, CXCL8, IL8, IL10, IL12p70, IL17A, IL18, IL23 und IL33 untersucht.
Ergebnisse: Insgesamt wurden 74 männliche RZA-Patienten (76,6±10,7 Jahre) eingeschlossen. Zum Zeitpunkt der Rekrutierung wiesen 25,7% (19/74) eine aktive Erkrankung auf. Bei 24,3% war im Verlauf mindestens ein Rezidiv dokumentiert. Der mediane mLOY-Anteil betrug 17,8% (±23,7%). Ein Schwellenwert von >10,2% wurde in der ROC Analyse als optimal für die Vorhersage eines Rezidivs ermittelt. Dieser wurde von 32,4% der Patienten (24/74) überschritten. Patienten mit mLOY >10,2% zeigten ein signifikant erhöhtes Rezidivrisiko (p<0,001) und eine verkürzte mediane rezidivfreie Überlebenszeit (647 vs. 992 Tage, p<0,001). In der multivariablen Cox-Regression war mLOY >10,2% ein unabhängiger Prädiktor für ein Rezidiv (HR: 17,4; 95%-CI: 3,5–86,0; p=0,003). In der Multiplex-Analyse zeigte sich über die gesamte Kohorte hinweg eine positive Assoziation zwischen mLOY und IL6 (p=0,045; r=0,24). Bei Patienten unter IL-6-Rezeptorblockade und klinischer Remission war mLOY signifikant mit IL6 (p=0,002; r=0,54) und IL17A (p=0,026; r=0,40) assoziiert.
Schlussfolgerung: Die vorliegende AYLo-Studie zeigt erstmals, dass mLOY ein starker, unabhängiger Prädiktor für das Rezidivrisiko bei männlichen Patienten mit RZA ist. Wir konnten zeigen, dass ein höherer mLOY-Anteil mit veränderten inflammatorischen Signalwegen assoziiert ist. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass mLOY über ein rein altersassoziiertes Epiphänomen hinausgeht und aktiv zur Modulation leukozytengesteuerter Autoimmunität beitragen könnte. Der Verlust des Y-Chromosoms könnte somit sowohl als prognostischer Biomarker zur Identifikation von Hochrisikopatienten als auch als pathophysiologischer Faktor in der Krankheitsentstehung und -progression der RZA von Relevanz sein.
Offenlegungserklärung: Die Autoren haben keine Interessenkonflikte offenzulegen.
Abbildung 1 [Fig. 1]
Abbildung 1: Kaplan-Meier-Analyse zur Vorhersage von Rezidiven bei Patienten mit Riesenzellarteriitis. Abbildung 1 zeigt den Zusammenhang zwischen dem mLOY Anteil und dem Rezidivrisiko bei Patienten mit RZA. Ein mLOY-Wert >10,2% war mit einem signifikant erhöhten Rezidivrisiko sowie einer verkürzten medianen rezidivfreien Überlebenszeit assoziiert. Abkürzungen: mLOY = Mosaikverlust des Y-Chromosoms.
Abbildung 2 [Fig. 2]
Abbildung 2: Cox-Regression zur Analyse von Risikofaktoren für ein Rezidiv bei Patienten mit Riesenzellarteriitis Abbildung 2 zeigt ein Forest Plot der multivariablen Cox-Regressionsanalyse zur Vorhersage des Rezidivrisikos bei Patienten mit Riesenzellarteriitis. Das Modell umfasste sieben Variablen: Alter, mLOY >10,2%, CRP, Sehstörungen, B-Symptomatik Beteiligung der großen Gefäße sowie Schulter- oder Beckengürtelschmerzen. Abkürzungen: HR = Hazard Ratio, mLOY = Mosaikverlust des Y-Chromosoms, CRP = C-reaktives Protein, LVV = Large Vessel Vasculitis, adj. p = adjustierter p-Wert. *p < 0,05 zeigt statistische Signifikanz