70. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V.
70. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V.
Einfluss periodischer Muster auf die Schätzung hitzebedingter Gesundheitsrisiken in time-stratified Case-Crossover-Analysen – Analyse und Empfehlungen
2Competence Center Climate and Health, Austrian National Public Health Institute (GOEG), Wien, Austria
3Center for Health Decision Science, Departments of Epidemiology and Health Policy & Management, Harvard T. H. Chan School of Public Health, Boston, United States
4Program on Cardiovascular Research, Institute for Technology Assessment and Department of Radiology, Massachusetts General Hospital, Harvard Medical School, Boston, United States
Text
Einleitung: Im Kontext des Klimawandels gewinnen Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Temperatur und gesundheitlichen Endpunkten an Bedeutung. Ein relevantes Studiendesign zur Analyse von gesundheitlichen Auswirkungen von kurzfristigen extremer Temperaturschwankungen ist das time-stratified Case-Crossover-Design, in dem ein Fall als die eigene Kontrolle dient und häufig die Wahl der Referenztage auf Basis desselben Wochentags innerhalb desselben Monats und Jahres erfolgt. Diese Vorgehensweise systematischen Verzerrungen führen, wenn in den Expositions- oder Endpunktdaten wiederkehrende Muster bestehen – ein Aspekt, der Primärstudien und Übersichtsarbeiten bislang wenig beachtet wird. Diese Studie beleuchtet die Auswirkungen solcher systematischen Verzerrungen.
Methoden: Wir untersuchten den Zusammenhang zwischen der lokalen Tagesdurchschnittstemperatur und (realen und simulierten) Gesundheitsendpunkten mit einem time-stratified case-crossover-Studiendesign. Tagesdurchschnittstemperaturen als Expositionsvariable wurden öffentlich zugänglich von GeoSphere Austria bezogen. Die Analyse erfolgte mittels einer konditionellen logistischen Regression unter Verwendung eines distributed lag non-linear model (DLNM), um Verzögerungseffekte von bis zu 14 Tagen zu berücksichtigen.
Zunächst simulierten wir die Folgen eines periodicity bias, indem wir die Anzahl der Fälle am ersten Wochentag jedes Monats künstlich erhöhten und ermittelten, wie sich diese Änderung auf das Odds Ratio (OR, einschließlich des 95% Konfidenzintervalls [95% KI]) des Auftretens von Ereignissen beim 95. und 5. Temperaturperzentil relativ zum 50. Temperaturperzentil (Referenztemperatur) auswirkte. Dafür diente eine Zufallsstichprobe von Tagen aus dem österreichischen Temperaturdatensatz als Tag, an dem ein Ereignis auftrat, ohne dass ein Zusammenhang zwischen Temperatur und Ereignis bestand.
In einem zweiten Schritt analysierten wir den Zusammenhang zwischen Hospitalisierungen auf Grund von psychischen und Verhaltensstörungen (ICD-10: F00-F99) und Extremtemperaturen auf Basis einer Zufallsstichprobe (ca.60% aller Hospitalisierungen) aus den in der Diagnosen- und Leistungsdokumentation des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (BMASGK) erfassten Hospitalisierungen, um Hinweise auf einen periodicity bias zu erhalten.
Ergebnisse: Unsere Simulation zeigt, dass durch eine künstliche Erhöhung von Fällen am ersten Werktag des Monats in der time-stratified Case-Crossover-Analyse eine Scheinassoziationen zwischen Temperaturextremen und gesundheitlichen Folgen auftreten kann. Im Fall der österreichischen Temperaturdaten führte dies zu einer Überschätzung des hitzebedingten Risikos. Beispielsweise, durch Verdopplung der Anzahl von Fällen am ersten Wochentag eines Monats, erzeugten wir eine künstliche Assoziation zwischen Extremtemperaturen und dem Auftreten von Ereignissen von OR 1,15 (95% KI: 1,09-1,21) beim 95. Temperaturperzentil und von OR 0,81 (95% KI: 0,76-0,86) beim 5. Temperaturperzentil unter Verwendung des 50. Temperaturperzentils als Referenzwert.
Im zweiten Teil der Analyse zeigen wir zudem das mögliche Bestehen eines periodicity bias in der Analyse eines Zusammenhangs zwischen Temperatur und realen Krankenhausdaten für Österreich, wenn diese mit einem time-stratified Case-Crossover-Ansatz analysiert werden. Dies zeigt sich insbesondere für geplante Krankenhauseinweisungen aufgrund von psychischen und Verhaltensstörungen (ICD-10: F00-F99) und für akute Krankenhauseinweisungen aufgrund von psychischen und Verhaltensstörungen durch Konsum psychoaktiver Substanzen (ICD-10: F10-F19). In beiden Diagnosegruppen besteht eine hohe, temperaturunabhängige Hospitalisierungsrate am ersten Werktag eines jeden Kalendermonats.
Schlussfolgerung: Wiederkehrende temporale Muster in Expositions- oder Endpunktdaten können in time-stratified Case-Crossover-Studiendesigns zu irreführenden Ergebnissen – durch einen periodicity bias – führen. Wir schlagen Ansätze zum Erkennung solcher Verzerrungen vor (u.a. graphische Darstellung zeitlicher Verläufe) und geben Empfehlungen zur Berücksichtigung dieser Art von Verzerrungen im risk-of-bias-Assessment systematischer Übersichtsarbeiten sowie für das Reporting in time-stratified Case-Crossover-Primärstudien.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.



