65. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie
65. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie
Ein rezidivierend fulminanter Infekt der Hand und des Unterarms: Herausforderungen bei einem Münchhausen Syndrom
Text
Wir berichten über den seltenen und klinisch herausfordernden Fall einer Mitte 20-jährigen Patientin, die sich wiederholt mit fulminanten Infekten der Hand und des Unterarms stationär in unserer Behandlung begab. Der Ausgangspunkt war eine Schnittverletzung des Mittelfingers 3 Wochen zuvor. Im Verlauf entwickelte sich eine operativ nicht sanierbare Phlegmone mit Fortleitung in die Hohlhand und proximalen Unterarm, sodass eine Zuverlegung in unsere Klinik erfolgte. Trotz intensiver chirurgischer und antibiotischer Maßnahmen blieb der Verlauf therapierefraktär. Infolgedessen war eine Amputation zweier Finger erforderlich. Es kam trotz jeweils initial guter Heilungstendenz nie zu einer Abheilung, vielmehr zeigten sich persistierend nach proximal rezidivierende Infekte, vom Unterarm bis hin zum Ellbogen.
Insgesamt wurden im Zeitraum der Behandlung von ungefähr einem Jahr 20 verschiedene, teils ungewöhnliche Keime aus den Wunden isoliert. Die Patientin erhielt wiederholt breit angelegte antibiotische Therapien, jedoch ohne nachhaltige klinische Besserung. Aufgrund der Diskrepanz zwischen Befundlage, klinischem Verlauf und mikrobiellem Spektrum wurde der Fall zunehmend als suspekt eingeschätzt. Schließlich konnte zufällig über externe Informationen von viszeralchirurgischen Vorbehandlern der Verdacht eines Münchhausen-Syndroms gestellt und psychiatrisch anbehandelt werden. Im weiteren Verlauf kam es zu einer infektfreien Ausheilung.
Anhand dieses Falles ist erkennbar, wie schwierig die Diagnosestellung im klinischen Alltag sein kann. Die Diskrepanz zwischen objektivierbaren Befunden und der subjektiv geschilderten Symptomatik ist ein zentrales Warnsignal. Bei persistierenden Wundheilungsstörungen, auffälliger Keimvielfalt und fehlendem Therapieerfolg trotz adäquater Behandlung sollte frühzeitig eine psychiatrische Komorbidität in Betracht gezogen werden und bedarf einer intensiven interdisziplinären Zusammenarbeit. Insbesondere müssen auch die kommunikativen Herausforderungen für die behandelnden Chirurgen bei dieser Verdachtsdiagnose bei dem aktuellen Zeitgeist als enorm eingeschätzt werden.



