Künstliche Intelligenz: Die digitale Zukunft in der Pflege gestalten. 9. Fachtagung Technik – Ethik – Gesundheit
Künstliche Intelligenz: Die digitale Zukunft in der Pflege gestalten. 9. Fachtagung Technik – Ethik – Gesundheit
Anforderungen an soziale Roboter in Pflegeheimen: Eine explorative Studie mit Pflegekräften und Pflegebedürftigen
2Sozialstiftung Bamberg Altenhilfe gGmbH, Bamberg, Deutschland
Text
Einleitung & Motivation
Roboter spielen seit Jahren eine zentrale Rolle bei der Arbeitsentlastung von Mitarbeitenden, indem sie repetitive und gefährliche Aufgaben, Tätigkeiten mit hoher körperlicher Belastung und solchen, die gleichbleibende Ergebnisse erfordern, übernehmen. Auch in der Pflege existieren diese Aufgabengruppen. So können Roboter bspw. bei der Durchführung von Hol- und Bring-Diensten, der Bereitstellung von Mahlzeiten und der Unterstützung bei der Mobilität älterer Menschen unterstützen. Daher bieten Roboter vielversprechende Möglichkeiten, die Arbeitsbelastung des Pflegepersonals durch organisatorische Aufgaben zu reduzieren, wodurch der Fokus auf die Pflege gelegt werden kann, was die Lebensqualität der zu Pflegenden erhöht. Zudem adressieren Roboter daher auch den in der Pflegebranche in Deutschland existierenden Fachkräftemangel [1].
Die Ausstattung von Robotern mit sozialen Fähigkeiten erhöht die Akzeptanz und reduziert Berührungsängste. Diese Fähigkeiten sind unabhängig von dessen Aussehen, da soziale Verhalten durch eine situationsgerechte Interaktion definiert ist, was kein humanoides oder zoomorphes Erscheinungsbild erfordert [2]. Ein sozial agierender Reinigungsroboter bspw. erkennt, wenn er Angst auslöst, und pausiert. Ziel der sozialen Robotik ist es folglich, Roboter so zu gestaltet, dass sie sich an die Bedürfnisse des menschlichen Interaktionspartners anpassen [2].
Trotz technologischer Fortschritte gibt es bisher keine tatsächlich sozial interagierenden Roboter in Pflegeheimen. Die Einführung solcher in Pflegeheimen existieren erfordert die Berücksichtigung verschiedener Interessengruppen: Pflegebedürftige, deren Angehörige, Pflegepersonal und Kostenträger [2], [3]. Im Forschungsprojekt FORSocialRobots (AZ-1594-23) werden u.a. die spezifischen Bedürfnisse, Erwartungen aber auch Befürchtungen und Ängste von Pflegekräften und Pflegebedürftigen in Pflegeheimen in Deutschland gegenüber sozialer Roboter untersucht. Diese Studie liefert hierzu einen Versuchsaufbau und erste Implikationen.
Material & Methoden
Um die Anforderungen an soziale Roboter in Pflegeheimen sowie die Einstellungen der direkt mit ihnen interagierenden Personen zu untersuchen, wurden zwei Studien konzipiert. Studie 1 richtet sich an Pflegekräfte, Studie 2 an zu Pflegende einer Pflegeeinrichtung. Beide folgen demselben Ablauf: Information über soziale Roboter, Vorstellung der gezeigten Roboter, Roboterinteraktion, Umfrage. Die Studien, jede in Gruppen von bis zu fünf Personen und einer Dauer von einer Stunde, zeigen die Roboter Pepper [4], NAO [5], Double 3 [6], Tabby [7]. Trotz der gemeinsamen Struktur unterscheiden sich die Studien aufgrund der Teilnehmenden. So liegt der Fokus in Studie 1 auf der Arbeitsentlastung, während in Studie 2 das Wohlbefinden bei der Interaktion im Vordergrund steht. Studienteilnehmenden in Studie 1 erhalten zusätzlich zur qualitativen Befragung, welche als Gruppendiskussion durchgeführt wird, einen quantitativen Fragebogen.
Um einen Einblick in die verschiedenen Ausprägungen von Robotik zu geben, wurden verschieden Roboter mit unterschiedlichem Aussehen und Interaktionsfähigkeiten gewählt. Der Roboter Pepper repräsentiert einen humanoiden Roboter, stellt sich selbständig vor und fragt nach Lieblingsfarbe, -jahreszeit, oder –tier, auf wessen Antwort er reagiert. Der ebenfalls humanoide NAO zeigt auf Befehle, welche den Teilnehmenden mitgeteilt werden, sein Standardverhalten, wie Aufstehen, Laufen und Tanzen. Double 3 wurde zur Demonstration eines technisch aussehenden Roboters gezeigt, war jedoch nicht funktionsfähig. Tabby schnurrt und miaut, ohne auf Berührungen oder Sprache zu reagieren und dient als Beispiel eines zoomorphen Roboters.
In Studie 1 wird im quantitativen Fragebogen, basierend auf der Studie von Graaf et al. [8] die Bedeutung von Merkmalen sozialer Roboter mittels einer 5-Punkt Likert-Skala abgefragt. In der Gruppendiskussion geben die Teilnehmenden ihre Vorerfahrung mit Robotern, in welchen Bereichen sie eine Unterstützung durch soziale Roboter als sinnvoll erachten und wie sie sich fühlen würden, wenn die Roboter täglich vor Ort wären, an. In Studie 2 wird der qualitative Fragebogen angepasst, indem die Frage nach den Bereichen der Unterstützung durch eine Frage nach dem persönlichen Eindruck bezüglich der Roboter ersetzt wird.
Ergebnisse
Die Studien wurden im Januar 2025 an zwei Tagen in einem Pflegeheim in Bayern, Deutschland, durchgeführt. Insgesamt nahmen 14 Personen teil, acht in Studie 1 und sechs Studie 2. Tabelle 1 [Tab. 1] zeigt die soziodemographischen Daten der Teilnehmenden aus Studie 1, wobei das Geschlecht gleichmäßig verteilt war. In Bezug auf die Altersstruktur waren 75 % der Teilnehmenden bis zu 35 Jahre alt und 25 % über 50, mit einem Durchschnittsalter von 35. In Tabelle 2 [Tab. 2] sind die soziodemographischen Daten der Teilnehmenden aus Studie 2 dargestellt. Vier Frauen und zwei Männer haben teilgenommen, mit einem Altersdurchschnitt von 79 Jahren. Die Frauen waren über 80 Jahre alt, während die Männer unter 80 Jahre alt waren.
Tabelle 1: Soziodemographische Daten der Teilnehmenden in Studie 1
Tabelle 2: Soziodemographische Daten der Teilnehmenden in Studie 2
Tabelle 3 [Tab. 3] zeigt die Ergebnisse des quantitativen Fragebogens von Studie 1. Demnach sind die wichtigsten Eigenschaften für soziale Roboter, in absteigender Reihenfolge: Zwei-Wege Kommunikation, soziales Bewusstsein, Autonomie, Unterstützung und Vertrauen, Sozialität und ein humanoides Erscheinungsbild. Die anderen abgefragten Eigenschaften, Emotionen zeigen, gemeinsame Interessen und gegenseitiger Respekt, werden als weniger wichtig eingestuft. Die Geschlechteranalyse zeigt allerdings, dass die neutrale Einstellung gegenüber dem Zeigen von Emotionen und den gemeinsamen Interessen dadurch zustande kommt, dass sie Frauen deutlich wichtiger sind (Emotionen AVG = 4; Interessen AVG = 3,75) als Männern (Emotionen AVG = 2,25; Interessen AVG = 2,5). Ebenso legen Frauen mehr Wert auf ein humanoides Erscheinungsbild (AVG = 4,75) als Männer (AVG = 2,25). Im Altersvergleich sind Emotionen und gemeinsamen Interessen für ältere Teilnehmende wichtiger (Emotionen AVG = 4; Interessen AVG = 4) als für jüngere (Emotionen AVG = 2,83; Interessen AVG = 2,83), während jüngere die Autonomie wichtiger bewerten (AVG = 4) als ältere (AVG = 2).
Tabelle 3: Auswertung der quantitativen Befragung der Studie 1 
Weder bei den Pflegekräften noch bei den Bewohnern und Bewohnerinnen gab es bisher signifikanten Kontakt zu Robotern. Die meisten kannten Roboter nur aus dem Fernsehen, oder hatten einen Serviceroboter in einem Restaurant oder Krankenhaus beobachtet. Obwohl im Pflegeheim eine Tabby vorhanden ist, hatten nicht alle Teilnehmenden bisher Kontakt zu ihr. Den Bewohnern gefielen Pepper und NAO am besten, obwohl einige aufgrund der geringen Lautstärke und schnellen Sprache Verständnisprobleme hatten. Eine Probandin äußerte sich allerdings, dass sie sich unwohl fühle, bei dem Gedanken die Roboter ohne Unterstützung zu nutzen, eine weitere äußerte Bedenken, dass größere Roboter Angst auslösen könnten. Eine Probandin erwähnte, dass ihr NAO aufgrund der bunten Farbe besser gefällt; eine andere erinnerte die weiße Farbe von Pepper an ein Krankenhaus. Keiner der Befragten äußerte grundsätzliche Bedenken gegen den täglichen Einsatz der Roboter, da sie als Teil der Zukunft gesehen werden. Die Pflegekräfte betonten die Bedeutung der korrekten Funktionsweise der Roboter und wären bereit, diese, zu Beginn, wie einen neuen Kollegen einzuarbeiten. Momentan werden die vorgestellten Roboter jedoch lediglich als teures Spielzeug gesehen.
In den Diskussionen wurden von Pflegekräften und zu Pflegenden verschieden Einsatzmöglichkeiten sozialer Roboter genannt:
- Reduzierung der Einsamkeit bei Pflegebedürftigen durch Spielen und Unterhaltung, insbesondere für bettlägerige Personen
- Übernahme von Hol- und Bringdiensten und einfachen Arbeiten (z.B. Wasser oder Bettlaken bringen, oder den Tisch decken)
- Verbesserung der Kommunikation durch individuelle Anpassung der Lautstärke und Sprechgeschwindigkeit an die Person sowie Überwindung von Sprachbarrieren bei ausländischen Pflegebedürftigen oder Pflegekräften
- Unterstützung im Gesundheitsmanagement (z.B. Unterstützung der zu Pflegenden während den Schichtübergaben, Information an Pflegekräfte insofern Bewohner Unterstützung benötigen, Bereithalten von Informationen über Bewohner)
- Gesundheitsunterstützung der Bewohner durch Trinkerinnerung und Überprüfung der Vitalwerte
Diskussion
Bei der Diskussion mit dem Pflegepersonal wurden mehrere praktische Ansätze für soziale Roboter identifiziert, darunter die Fähigkeit zur Kommunikation in verschiedenen Sprachen, die Anpassung der Lautstärke und der Sprechgeschwindigkeit. Alles Merkmale, die technisch relativ einfach angepasst werden können, aber, angesichts der zunehmenden Anzahl internationaler Pflegekräfte, eine effektive Kommunikation fördern können. Da die meisten Studien über soziale Roboter bisher humanoide Roboter verwendeten, ist unklar, welches Aussehen bevorzugt wird [9]. Diese Untersuchung liefert jedoch einen ersten Ansatz und identifiziert, dass ein humanoides Aussehen und ein freundliches Design im Vergleich zu einem klinischen Weiß die Akzeptanz fördern könnten.
Die Ergebnisse der quantitativen Studie 1 stimmen grundsätzlich mit den Ergebnissen von [8] überein, insbesondere in der Priorisierung der bidirektionalen Interaktion als wichtigstes Merkmal für soziale Roboter. In unserer Studie wurden jedoch soziale Bewusstheit und Autonomie deutlich höher bewertet, während Aspekte wie Gedanken und Gefühle als weniger entscheidend wahrgenommen wurden. Diese Unterschiede lassen sich möglicherweise durch den jeweiligen Kontext erklären: Während unsere Studie auf institutionelle Umgebungen wie Seniorenheime fokussiert war – in denen die Anpassungsfähigkeit an das soziale Umfeld und das Schaffen einer angenehmen Atmosphäre im Vordergrund stehen –, wurde die Studie von de Graaf et al. in privaten Haushalten durchgeführt, wo emotionale Aspekte und zwischenmenschliche Nähe stärker gewichtet werden.
Der Studienaufbau ermöglicht den Teilnehmenden, soziale Roboter kennenzulernen und ihren Eindruck zu äußern. Er dient als Modell für weitere Untersuchungen zur sozialen Robotik in Pflegeheimen, wobei sowohl die vorgestellten Roboter als auch die Befragungsmethoden flexibel an die jeweiligen Studienziele angepasst werden können. Aufgrund der begrenzten Anzahl an Teilnehmenden aus nur einer Einrichtung bieten diese Untersuchungsergebnisse allerdings lediglich erste Implikationen. Bspw. sind die Ausschläge in den Vergleichen Mann – Frau und Jung – Alt ähnlich, was sich dadurch erklären lässt, dass es lediglich zwei Vertreter der älteren Personen teilgenommen haben und beide weiblich waren. Zur Verifizierung sind daher weitere Studien erforderlich.
References
[1] Pflegenetzwerk Deutschland. Mit Robotik zur besseren Pflege? 22. Februar 2022 [Zugriff am 18. April 2025]. Verfügbar unter: https://pflegenetzwerk-deutschland.de/mit-robotik-zur-besseren-pflege[2] Merz N, Wittenberg T, Klein S, Lu S, Zebisch R, Retzer L, Niessen C, Kraus M, André E, Lang-Richter N, Pest C, Berger J, Schilp J, Franke J, Reitelshöfer S. Towards Useful Social Capabilities for Robots in Healthcare. In: 2nd International Conference on Integrated Systems in Medical Technologies (ISMT); 2024 Sep 25-26; Erlangen, Germany. IEEE; 2025. DOI: 10.1109/ISMT62540.2024.10986204
[3] Zöllick JC, Kuhlmey A, Suhr R, Eggert S, Nordheim J, Blüher S. Akzeptanz von Technikeinsatz in der Pflege. In: Jacobs K, Kuhlmey A, Greß S, Klauber J, Schwinger A, Hrsg. Mehr Personal in der Langzeitpflege - aber woher? Berlin, Heidelberg: Springer; 2019. S. 211-218. ISBN 978-3-662-58935-9
[4] SoftBank Robotics. Meet Pepper: The Robot Built for People. [Zugriff am 17. April 2025]. Verfügbar unter: https://us.softbankrobotics.com/pepper
[5] SoftBank Robotics. NAO: Personal Robot Teaching Assistant. [Zugriff am 17. April 2025]. Verfügbar unter: https://us.softbankrobotics.com/nao
[6] Double Robotics. Double 3. [Zugriff am 17. April 2025]. Verfügbar unter: https://www.doublerobotics.com/double3.html
[7] Ageless Innovation LLC. Companion Pet Cat. [Zugriff am 17. April 2025]. Verfügbar unter: https://joyforall.com/products/companion-cats?variant=10404273455147
[8] de Graaf MMA, Ben Allouch, van Dijk JAGM. What Makes Robots Social?: A User’s Perspective on Characteristics for Social Human-Robot Interaction. In: Tapus A, André E, Martin JC, Ferland F, Ammi M, Hrsg. Social Robotics. ICSR 2015. Cham: Springer; 2015. (Lecture Notes in Computer Science; 9388). S. 184-193. DOI: 10.1007/978-3-319-25554-5_19
[9] Naneva S, Sarda Gou M, Webb TL, Prescott TJ. A Systematic Review of Attitudes, Anxiety, Acceptance, and Trust Towards Social Robots. International Journal of Social Robotics. 2020;12:1179–1201. DOI: 10.1007/s12369-020-00659-4



