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32. Jahrestagung der Sachsen-Anhaltisch-Thüringischen Augenärztegesellschaft – SATh 32

Sachsen-Anhaltisch-Thüringische Augenärztegesellschaft (SATh) e.V.
12.-13.09.2025
Oberhof

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Meeting Abstract

Hornhautchirurgie: Indikationen, Techniken und Nachsorge

Friedrich E. Kruse 1
1Erlangen

Text

Hintergrund und Zielsetzung: Die Hornhautchirurgie hat sich in den letzten zwei Dekaden von der perforierenden Keratoplastik (PK) hin zu schichtselektiven, gewebeschonenden Verfahren entwickelt. DSAEK, DMEK und – als in der Entwicklung begriffene minimalistische Variante – Descemet Stripping Only (DSO) bilden heute das Kernspektrum der lamellären Endothelchirurgie. Ziel ist maximale Sehqualität bei minimaler chirurgischer Invasivität, niedriger Abstoßungsrate und planbarer Nachsorge. Das Vortragsspektrum ordnet Indikationen, Technik-Standards und Nachsorge-Schemata praxisnah ein, ergänzt um Langzeitdaten, pharmakologische Optionen und technologische Perspektiven wie EndoART sowie Zell-Injektionstherapien.

Epidemiologie und Entwicklung: Registerdaten aus Deutschland und die Erfahrungen unserer Klinik unterstreichen die breite Etablierung der lamellären Endothelverfahren: In Erlangen wurden in den letzten 15 Jahren >10.000 Keratoplastiken durchgeführt, davon >8.000 DMEK, was die Entwicklung vom PK-zum DMEK-Standard abbildet.

Indikationen: Endothelerkrankungen sind mit über 60% die ist die Hauptindikationen für eine Keratoplastik: Fuchs-Endotheldystrophie (FECD), pseudophake bullöse Keratopathie (PBK) und endotheliale Schäden nach intraokularer Chirurgie sind relevante Erkrankungen.

Entscheidende klinische Marker für die Indikation sind zentrale Guttae, reduzierte Buchstaben-Kontrastsehschärfe, erhöhte Blendempfindlichkeit; eine erhöhte Pachymetrie ist zur Indikationsstellung nicht obligat. In frühen FECD-Stadien können Guttae bei normaler Hornhautdicke bestehen und die funktionelle Leistungsfähigkeit (v. a. Kontrastsehen, Blendung) relevant beeinträchtigen.

Techniken und Standardisierung:

  • DMEK ist Goldstandard bei Endothelerkrankungen: Vorteile sind bestes Sehpotenzial, niedrigste immunologische Reaktionsrate, kleine Inzision ohne induzierten Astigmatismus und geringe Instrumentenkosten. Standardisierte Prozessschritte in Erlangen betreffen Markierung und individualisierte Rollungs-Zuordnung, die definierte Descemetresektion des Empfängers, Injektor-basierte Implantation (Endoject), kontrolliertes Entrollen („bubble-in-the-roll“) sowie verlässliche Luft/Gas-Strategien.
  • DSO (Descemet Stripping Only) adressiert zentrale FECD-Läsionen ohne Transplantat. Konzept: zentrale 4-mm-Descemetorhexis mit Spontanheilung durch periphere Endothelzellmigration; Limitierung: prolongiertes Ödem und häufig geringere Sehqualität als nach DMEK. Diese Methode ist in der Entwicklung und noch nicht allgemein anwendbar.

Evidenz und Ergebnisdaten:

  • Langzeitdaten-DMEK: 8–10-Jahres-Daten aus Erlangen zeigen stabile hohe Sehschärfen und günstige Endothelzellverläufe. Dies untermauert DMEK als nachhaltige Standardtherapie.
  • Immunologie/Nachsorge: Eine prospektive FECD-Serie (n=70) unter Loteprednoletabonat 0,25% zeigte 0% Abstoßung; der IOD-Anstieg war selten und niedriger als unter Prednisolonacetat 1%. Damit lässt sich steroidinduzierter Offenwinkelglaukom-Risiko relevant reduzieren. …
  • Unbefriedrigende Visusergebnisse: Eine monozentrische DMEK-Kohorte beschreibt das postoperative zystoide Makulaödem als ein erhöhtes Risiko für unbefriedigende Sehschärfen
  • Ergebnisse bei Descemet Stripping only (DSO): 7-Jahres-Daten (26 Augen) zeigen in 22/26 Aufklarung, 4 Augen erforderten sekundäre DMEK; zentrale ECD blieb begrenzt, periphere ECD sank signifikant. Klinisch bedeutet dies: DSO ist machbar, aber nicht gleichwertig zu DMEK, und benötigt strenge Fallselektion.
  • ROCK-Inhibition: Ripasudil (Erhältlich nur in Japan) steigert nach DSO die Chance auf rasches Aufklaren und höhere ECD; in einer Phase-IIa-Studie unter Leitung unserer Klinik erreichten 80% nach 12 Wochen klare Hornhäute ohne relevante Nebenwirkungen. Netarsudil (Erhältlich in Deutschland) zeigte in Fallserien-Evidenz bei Ödemen, u. a. bei ICE-Syndrom und postoperativen Endotheldysfunktionen. Diese Strategien sind in Deutschland nicht zugelassen, weisen aber eine relevante therapeutische Perspektive auf.
  • EndoART: Eine neue künstliche Descemet-Membran kann bei multiplen DMEK-Versagen oder speziellen Situationen (z. B. Drainageimplantate) die HH Dicke senken und den Visus verbessern; Re-Tamponaden sind teils erforderlich, periphere Verdickungen möglich.
  • Zell-Injektion: Das Konzept kultivierter Endothelzellen mit intracameraler Injektion und anschließender Bauchlagerung wird als Zukunftspfad skizziert; klinische Implementierung bleibt selektiv und im Aufbau.

Perioperative Praxis und Nachsorge:

  • Präoperativ: FECD-Staging, gezieltes Suchen nach Guttae auch bei nur milder Katarakt, funktionelle Tests (Kontrastsehen, Blendung), tomographische Ödemkartierung. Die Indikationsschwelle kann vor erhöhter CCT erreicht sein, wenn die Funktion leidet.
  • Intraoperativ (DMEK): atraumatische Gewebehandhabung, standardisierte Injektor-Implantation, kontrolliertes Entrollen, „Bubble-in-the-roll“- und Pupillenblock-Prophylaxe. Re-Bubble-Bereitschaft bei partiellem Ablösen.
  • Medikamentenplan: Nach DMEK werden initial isotonische/visköse Spüllösungen (z. B. Ocusaline/ODM-5/Omnisorb) für 14 Tage bis 4 Wochen sowie ein gestuftes Steroidregime (z. B. Dexa EDO/Dexasine SE/Predniophthal Gel 5× für 3 Monate, dann 3× für 3 Monate) empfohlen; hochvisköser Tränenersatz (z. B. HyloGel/HyloVision Gel sine/Vismed Gel) zur Oberflächenstabilisierung. Loteprednol wird bevorzugt, um steroidinduzierten IOD-Anstieg zu vermeiden.
  • Positionsregime: Rückenlage in den ersten Stunden/Tagen sichert Transplantat-Apposition; Patientenaufklärung zu Warnzeichen (Sehabfall, Schmerzen, starke Photophobie) ist obligat.

Take-Home-Botschaften:

  1. DMEK ist der Standard bei Endothelerkrankungen: überlegene Optik, geringe Reaktionsrate, gute Langzeitergebnisse. Loteprednol-basierte Schemata reduzieren Glaukomrisiken.
  2. Indikation früh stellen: Kontrastverlust/Blendung und zentrale Guttae reichen aus; erhöhte CCT ist nicht zwingend.
  3. DSO ist möglich, aber mit längerer Ödemphase und tendenziell geringerer Sehqualität; ROCK-Inhibition kann die Ergebnisse signifikant verbessern, ist aber derzeit off-label.
  4. EndoART eröffnet Optionen bei wiederholtem DMEK-Versagen oder speziellen anatomischen Gegebenheiten.
  5. Standardisierung der OP-Schritte und ein klares Nachsorge-Schema sind die Hebel für reproduzierbare Ergebnisse und effizienten Ressourceneinsatz