98. Versammlung des Vereins Rhein-Mainischer Augenärzte
98. Versammlung des Vereins Rhein-Mainischer Augenärzte
Ab-externo-Kanaloplastik mit suprachoroidaler Drainage – Perspektiven, Grenzen und Potenzial als Alternative zur Trabekulektomie
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Hintergrund: Die Trabekulektomie (TE) gilt als Goldstandard der Glaukomchirurgie, erreicht sehr niedrige Zielwerte, ist jedoch mit einer relevanten Komplikationslast verbunden. Die ab externo Kanaloplastik (KP) remodelliert den konventionellen Abfluss über den Schlemmkanal und weist ein günstiges Sicherheitsprofil auf, erzielt jedoch meist geringere Drucksenkungen als die TE. Durch die Kombination mit einer suprachoroidalen Drainage (scD) wird eine duale Drainage (konventionell und uveoskleral) angestrebt, um eine effektivere und langfristige Drucksenkung bei blebfreier Anatomie zu erreichen.
Methoden: Retrospektive Auswertung von 278 konsekutiven Augen (236 Patienten) nach ab-externo KP+scD bei therapierefraktärem Offenwinkelglaukom (2012–2021), Nachbeobachtung bis 10 Jahre. Subgruppen: Stand-alone KP+scD (n=163) vs. Phakokanaloplastik+scD (n=115). Primäre Endpunkte: IOP-Reduktion und Medikamentenbedarf. Die Erfolgsraten (Kaplan-Meier) wurden als „qualifizierter Erfolg“ (QS; IOP ≤18 mmHg + ≥25% Reduktion, ohne Reoperation) und „medikamentenfreier Erfolg“ (CS; QS-Kriterien, aber IOP ≤15 mmHg und medikamentenfrei) definiert. Sekundäre Analysen umfassten Komplikations-/Reoperationsraten sowie Prädiktoren (u.a. PEX-Glaukom).
Ergebnisse: Präoperativ betrug der IOP 23,1±7,7 mmHg bei 3,0±0,9 Antiglaukomatosa (n=278). Nach 10 Jahren (n=28) sank der IOP auf 14,3±3,2 mmHg (−38,2%, p<0,001) bei 1,3 Präparaten. Die kumulative Rate für qualifizierten Erfolg (QS) betrug 89,9% nach 4 Jahren und 81% nach 10 Jahren. Die Rate für medikamentenfreien Erfolg (CS) lag bei 37,8% (4J) und 32,5% (10J). In der Subgruppenanalyse zeigte die kombinierte Phakokanaloplastik+scD eine stärkere initiale IOP-Senkung (−49,4% vs. −42,3% nach 12M, p<0,05), die sich langfristig anglich (10J: p>0,05), jedoch mit signifikant geringerem Medikamentenbedarf (0,75 vs. 1,45 Tropfen, p<0,01). Pseudoexfoliationsglaukom war der stärkste Prädiktor für Therapieerfolg (OR 3,0, p<0,01). Sekundäre Interventionen erfolgten bei 11,2% (360°-Trabekulotomie, Preserflo, CPC). Schwere Komplikationen traten nicht auf (keine persistierende Hypotonie, keine Endophthalmitis).
Schlussfolgerung: Die KP mit scD zeigt eine robuste, langzeitstabile Drucksenkung bei gleichzeitig günstiger Sicherheit und geringer Variabilität der Enddrücke. Im Kontext publizierter Daten bestätigt die Fulda Kohorte die Effektivität des dualen Drainage Ansatzes als blebfreie, modulierbare Option. Grenzen des Verfahrens sind: tendenziell höhere mittlere Zieldrücke als unter TE, die gelegentliche Notwendigkeit von Zusatzmaßnahmen (z. B. 360°-Trabekulotomie, additive Medikation, ggf. Umwandlung) sowie der Mangel an prospektiven Head-to-Head-Studien gegenüber der TE. Für Patienten mit hohen Ausgangsdrucken und Wunsch nach einem stufenweisen, risikoarmen Vorgehen stellt die KP+scD dennoch eine klinisch relevante Alternative zur TE dar.



