Deutscher Rheumatologiekongress 2025
Deutscher Rheumatologiekongress 2025
Komplikationen nach zementierter Knie-Totalendoprothese bei rheumatoider Arthritis – unklares Versagen des operativ aufgebrachten retropatellaren PE-Ersatzes mit OP-Bedarf und spätere traumatische Patella-Luxation. Interdisziplinäres Management eines Hochrisikopatienten
2Agaplesion Markus Krankenhaus, Spezielle orthopädische Chirugie, Orthopädische Rheumatologie, Frankfurt
Text
Einleitung: Die Knieendoprothetik bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises ist aufgrund der entzündlichen Synovialitis, Weichteildysbalancen und ggf. ausgeprägten Achsfehlstellungen sowie des besonderen perioperativen Medikamenten-Managements besonders anspruchsvoll. Postoperative Komplikationen treten gegenüber unkomplizierten degenerativen Erkrankungen (Arthrose) eher auf. Ein aufmerksames, internistisch- und orthopädisch-rheumatologisches wechselseitiges interdisziplinäres Management ist empfehlenswert
Methoden: Männlicher Patient, 64 Jahre alt mit langjähriger, seropositiver rheumatoider Arthritis. Initial bestanden klinisch eine hochgradige Instabilität im rechten Knie mit einer Valgusdeformität von 30° und einer hochfloriden Synovialitis. Radiologisch konnte die endgradige Destruktion am Knie einem LDE-Stadium V zugeordnet werden.
Operation 1 – Primäre Endoprothetik (01.08.2024): Offene totale aseptische Synovektomie und Implantation einer zementierten Knie-Totalendoprothese inkl. dem Aufbringen eines zementierten retropatellaren PE-Ersatzes. Völlig komplikationsloser initialer Verlauf postoperativ.
Im Januar 2025 erfolgte die Zuweisung durch die internistischen Rheumatologen, bei der radiologischen Feststellung des dislozierten retropatellaren PE-Ersatzes. Eine Ursache dafür konnte nicht eruiert werden. Klinisch bestanden Schmerzen und eine gewisse mechanische Blockierung des Knies.
Operation 2 – Revisions-Eingriff (31.01.2025) mit der Entfernung des Retropatellar-Inlays, inkl. dem Wechsel des PE-Inlays zwischen der femuralen und der tibialen Prothesenkomponente, einer Jet-Lavage, mikrobiologischen und histopathologischen Probenentnahmen und der Applikation von Vancomycin intraartikulär. Im Verlauf ergaben sich keine Hinweise auf einen Infekt (histologisch & mikrobiologisch negativ).
Dritte Vorstellung – Großes Sturztrauma mit Patellaluxation (Februar 2025) in der tagesklinischen Rehabilitationsphase. Akute Schmerzen, die erkennbare Deformität und die laterale Luxation der Patella (ohne Fraktur) waren zu verzeichnen.
Operation 3 – Komplexe rekonstruierende Weichteilrekonstruktion (21.02.2025): Erforderlich wurden ein laterales Release der patellaführenden Gewebe mit einer medialen Raffung, eine Patellarezentrierung, eine neuerliche Jet-Lavage und Vancomycin-Applikation und nochmalige mikrobiologische Probenentnahmen, die wiederum keinen Keimnachweis erbrachten.
Schlussfolgerung: Vielfach wird bei Patienten mit entzündlichen Systemerkrankungen anlässlich einer Knie-TEP-Versorgung die Retropatellarfläche mit einem PE-Onlay ersetzt, weil die Destruktionen alle Strukturen und Gelenkkompartimente betreffen. Bei dem geschilderten Fall bleibt es bis zuletzt völlig unklar, weshalb es zu einer Dislokation kam, vermutlich sind mehrere kleinere Verdrehtraumata aufgetreten. Bei einer internistisch-rheumatologischen Kontrolle wurde aufmerksamerweise eine Röntgenkontrolle veranlasst und die interdisziplinäre Vorstellung zur operativen Revision vorgenommen. Bis zuletzt konnte erfreulicherweise zu keinem Zeitpunkt eine bakterielle Besiedelung als Ursache für die ungewöhnliche Dislokation geführt werden. Leider erlitt der fortgeschritten rheumatisch betroffene Patient später noch ein erhebliches Sturzereignis während der tagesklinischen Rehabilitation und luxierte sich dabei die Patella an der TEP-versorgten Seite. Eine weitere, aufwendige Rekonstruktion dieser Komplikation wurde notwendig, der weitere Verlauf war unauffällig.
Die mikrobiologische diagnostische und therapeutische Kontrolle bei Revisionseingriffen ist mit entscheidend für die Vermeidung eines Infektes – ein erhebliches Risiko, besonders bei immunsupprimierten Patienten.
Fazit:
- Die primäre Knie-TEP-Versorgung bei „Rheumatikern“ erfordert eine präzise Achskorrektur und Weichteilbalancierung bei aufmerksamem perioperativen Medikamenten-Management.
- Eine kooperative interdisziplinäre internistisch- und orthopädisch-rheumatologische Behandlung dieser Patienten ist von erheblicher Bedeutung.
- Eine gestufte Strategie inkl. mikrobiologischer Diagnostik und -Therapie ist essenziell bei erforderlichen operativen Revisionseingriffen.
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