German Congress of Orthopaedics and Traumatology (DKOU 2025)
Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie 2025 (DKOU 2025)
Intraoperative Spacer-Herstellung im digitalen Zeitalter: 3D-gedruckte Gussformen erhöhen Antibiotika-Elution und verbessern die postoperative Mobilisierbarkeit
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Zielsetzung und Fragestellung: Eine 21-jährige Patientin litt an einer fistelnden periprothetischen Mischinfektion (S. aureus, S. agalactiae, S. epidermidis) bei einliegendem Beckenteilersatz und totalem Femurersatz nach multiplen Voroperationen aufgrund eines Riesenzelltumors des Knochens in ihrer Kindheit. Manuell gefertigte Spacer hätten aufgrund des ausgeprägten Knochenverlusts nicht die notwendige Beckenstabilität erreicht. Im 3D-Center der Klinik wurde daher eine 70cm lange, individualisierte Spacerform 3-dimensional modelliert und mittels additiver Fertigung im 3D-Druckverfahren in house hergestellt. Die Spacermaße entsprachen dem später verwendeten Implantat (Beckenteilersatz, totaler Femurersatz, proximaler Tibiaersatz, Firma Implantcast). Ziel war die optimale Stabilisierung im verbliebenen Ileumrest, der Erhalt der Beinlänge, die Vergrößerung der Oberfläche für hohe Antibiotikafreisetzung sowie die Ausfüllung und Konditionierung des Prothesenlagers.
Material und Methoden: Das Spacerdesign orientierte sich an CAD-Daten der einliegenden Prothesen. Zur gezielten Oberflächenmodifikation wurden randomisiert 2 mm große Kugelvolumina auf definierten Bereichen generiert, entlang von Entformungsvektoren mit 3° Schräge extrudiert und mittels boolescher Operationen subtrahiert. Aus den Spacergeometrien wurden zwei mehrteilige Negativ-Gussformen abgeleitet: eine dreiteilige Form für den Beckenteilersatz sowie modulare Formen für den totalen Femurersatz, die eine intraoperative Anpassung der Spacerlänge ermöglichten. Alle Komponenten erhielten Verbindungs-Klemmelemente zur besseren Handhabung. Die Fertigung erfolgte im SLS-Verfahren (ProX6100, 3D-Systems) mit DuraForm PA ProX (medical-grade). Nach der additiven Fertigung wurden die Spacer-Komponenten steril aufbereitet und doppelt bereitgestellt. Intraoperativ wurde die Form zusammengesetzt, mit Palacos G+C+V Revisionszement (480 g) befüllt und ein Titanstab zentral eingebracht. Die Replantation der Prothese erfolgte nach sieben Wochen.
Ergebnisse: Durch interdisziplinäre digitale Planung und additive Fertigung am point of care konnte binnen weniger Tage eine Lösung zur Herstellung eines individualisierten Spacers bereitgestellt werden, welche die Handhabung und intraoperative Fertigung des großvolumigen Spacers auf wenige Minuten beschleunigte. Die Nachbildung des Beckenteilersatzes erhöhte die Stabilität, sodass die pflegerische Lagerung erleichtert war. Die exakte Nachbildung der Maße der geplanten definitiven Prothese führte zu einer guten Konditionierung des knöchernen und weichteiligen Prothesenlagers und ermöglichte eine optimal passende Weichteildeckung bei der Replantation. Die gezielte Oberflächenmodifikation vergrößerte die Gesamtoberfläche um etwa 10%, wodurch die lokale Freisetzung von Antibiotika gesteigert wurde.
Diskussion und Schlussfolgerung: Die digitale Planung und patientenspezifische additive Fertigung am point of care kann zur individuell optimierten Infektbehandlung bei komplexen periprothetischen Infekten genutzt werden. Die 3D-gedruckten Formen bedeuteten zwar eine aufwendigere Vorarbeit, führten jedoch zu einer deutlich kürzeren OP-Zeit und besseren Passgenauigkeit des Spacers. Dies wirkte sich schließlich auch auf eine Erleichterung der Reimplantation aus. Weitere Untersuchungen zur Einordnung des klinischen Nutzens dieser innovativen Technik stehen aus.



