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36. Kongress der Deutschen Kontinenz Gesellschaft e.V.

Deutsche Kontinenz Gesellschaft e.V.
14.-15.11.2025
Bielefeld


Meeting Abstract

Verdacht auf Marfan Syndrom in der Urogynäkologie – ein Fallbericht

Daniela Juse 1
Christoph Anthuber 1
1Klinikum Starnberg, Starnberg, Deutschland

Text

Einleitung: Das Marfan-Syndrom stellt mit einer Prävalenz von 1/10.000-20.000 eine der häufigsten erblichen Erkrankungen des Bindegewebes dar. Zugrundeliegend ist eine Mutation im Fibrillin-1 Gen (FBN1), die autosomal dominant vererbt wird. Die Diagnose wird analog der Ghent nosology gestellt und beinhaltet das Vorliegen eines Aortenaneurysmas oder -dissektion, einer Ectopia lentis, einer Myopie und skelettaler Veränderungen (verlängertes Wachstum der Röhrenknochen, hypermobile Gelenke, Trichterbrust) [1], [2], [3], [4].

Methode: Case Report und Literaturrecherche über urogynäkologische Manifestationen bei Marfan Syndrom.

Ergebnisse: Die Primärvorstellung der 31-jährigen Patientin erfolgte in 02/2025 in unserer Beckenbodensprechstunde. Vorausgehend waren zwei Schwangerschaften mit Zervixinsuffizienz (jeweils behandelt mit körperlicher Schonung und Pessar) mit termingerechten Spontanpartus ohne höhergradige Dammverletzungen (Geburtsgewicht 4070g, Kopfumfang 39cm). Bereits nach der ersten Schwangerschaft wurde bei der Patientin ein Descensus uteri und der V.a. Levatoravulsion gestellt. Klinisch zeigte sich eine ausgeprägte Zystozele Stadium II, ein Descensus uteri Stadium II und eine Rektozele Stadium I und eine Belastungsinkontinenz I°. Die Therapie erfolgte mit Restifem-Pessar, im weiteren Verlauf mit Würfelpessar Größe 5. Die Patientin präsentierte sich mit einer zu Marfan Syndrom passender klinischer Symptomatik (schlanker, großer Habitus mit hypermobilen Gelenken, Ptosis mammae, Striae distensae und ausgeprägter Myopie). Die genetische Untersuchung ist zum aktuellen Zeitpunkt noch ausstehend.

Schlussfolgerung: Urogynäkologisch weisen Patientinnen mit Marfan Syndrom und anderen erblichen Bindegewebserkrankungen eine erhöhte Prävalenz an Descensus genitalis (ca. 30%) und Urininkontinenz (ca. 60%) auf [2], [5]. Bei diesen Patientinnen treten Beschwerden, wie auch in unserem Fall, früher (mittleres Alter 48,1 vs. 58,3 Jahre) und bereits nach weniger vaginalen Geburten (1,7 vs. 2,3 Geburten) auf. Bezüglich der operativen Deszensus- und Inkontinenztherapie zeigt sich insgesamt eine erhöhte Rate perioperativer Komplikationen (insbesondere intraoperativer Blutverlust). Hinsichtlich der Erfolgs- und Rezidivraten gibt es jeweils keine Unterschiede [6].


References

[1] Dietz H. FBN1-Related Marfan Syndrome. In: Adam MP, Feldman J, Mirzaa GM, Pagon RA, Wallace SE, Amemiya A, Herausgeber. GeneReviews® [Internet]. Seattle (WA): University of Washington, Seattle; 1993 [zitiert 10. März 2025]. Verfügbar unter: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK1335/
[2] Boileau A, Brierre T, Castel-Lacanal É, Soulié M, Gamé X. Lower urinary tract involvement in Ehlers-Danlos and Joint Hypermobility syndromes: Review of the literature. Fr J Urol. Dec 2024;34(13):102698.
[3] Yuan SM, Jing H. Marfan’s syndrome: an overview. Sao Paulo Med J. Dec 2010;128(6):360-6.
[4] Loeys BL, Dietz HC, Braverman AC, Callewaert BL, De Backer J, Devereux RB, et al. The revised Ghent nosology for the Marfan syndrome. J Med Genet. Jul 2010;47(7):476-85.
[5] Carley ME, Schaffer J. Urinary incontinence and pelvic organ prolapse in women with Marfan or Ehlers Danlos syndrome. Am J Obstet Gynecol. May 2000;182(5):1021-3.
[6] Davidson ERW, Alam PA, Byrnes JN, Bochenska K, Florian-Rodriguez M, Carter-Brooks CM, et al. Perioperative outcomes following pelvic floor reconstruction in women with hereditary disorders of connective tissue: a retrospective cohort study. Int Urogynecol J. Aug 2021;32(8):2135-42.