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32. Jahrestagung der Sachsen-Anhaltisch-Thüringischen Augenärztegesellschaft – SATh 32

Sachsen-Anhaltisch-Thüringische Augenärztegesellschaft (SATh) e.V.
12.-13.09.2025
Oberhof


Meeting Abstract

State-of-the-Art in Spaceflight-Associated Neuro-Ocular Syndrome (SANS) (Stand der Forschung zur weltraumassoziierten neuro-okulären Erkrankung)

Kazim Hilmi Or 1
1Hamburg

Text

Hintergrund: Das „Spaceflight-Associated Neuro-Ocular Syndrome“ (SANS), beobachtet bei Langzeitmissionen im Weltraum, betrifft etwa 66% der Astronauten und manifestiert sich typischerweise durch Papillenödem, Abflachung des hinteren Bulbus sowie hyperope Refraktionsveränderungen. Während die Ätiologie traditionell auf mikrogravitationsbedingte kraniale Flüssigkeitsverschiebungen mit konsekutiv erhöhtem intrakraniellem Druck zurückgeführt wurde, postulieren neuere Modelle multifaktorielle Ursachen, einschließlich einer Kompartmentalisierung des Liquorraums, genetischer Prädispositionen und metabolischer Dysregulationen.

Methoden: Diese narrative Übersichtsarbeit analysiert systematisch peer-reviewte Publikationen aus den Jahren 2018 bis 2025, identifiziert über PubMed, Scopus, Web of Science und CrossRef. Berücksichtigt werden astronautische Beobachtungsstudien, terrestrische Analogmodelle (z.B. Kopftieflagerung), moderne Bildgebungsverfahren (OCT, MRT, orbitale Sonografie), genetische und metabolische Profilierungen sowie Entwicklungen potenzieller Gegenmaßnahmen. Ein besonderer Fokus liegt auf aktuellen Anwendungen maschinellen Lernens zur OCT-basierten SANS-Detektion (z.B. SANS-CNN) sowie auf translationalen Erkenntnissen vom Boden, wie dem Einsatz von GLP-1-Rezeptoragonisten und negativem Unterkörperdruck.

Ergebnisse: Bildgebende Untersuchungen bestätigen eine persistierende Abflachung des hinteren Bulbus und chorioretinale Falten auch nach der Rückkehr zur Erde, wenngleich sich Papillenödeme häufig zurückbilden. Systematische Übersichten stützen sowohl die Hypothese eines erhöhten intrakraniellen Drucks als auch die der lokalen Flüssigkeitskompartimentierung, was auf eine multikausale Genese hinweist. Gegenmaßnahmen basieren weiterhin auf negativem Unterkörperdruck, nutritiver Modulation, künstlicher Gravitation und pharmakologischen Interventionen einschließlich GLP-1-Rezeptoragonisten. Explorative Ansätze wie die nicht-invasive ICP-Messung und die Analyse des Ein-Kohlenstoff-Metabolismus könnten die Präflight-Risikoabschätzung verbessern.

Schlussfolgerung: SANS stellt eine bedeutende biomedizinische Herausforderung für die bemannte Tiefenraumfahrt dar. Zukünftige Missionen erfordern eine ausgewogene Strategie, die klassische diagnostische Prinzipien und bewährte terrestrische Modelle mit fortgeschrittenen Technologien wie durch maschinelles Lernen verbesserten OCT-Verfahren vereint. Ein tiefgehendes Verständnis der multifaktoriellen Pathogenese ist essenziell, um effektive Gegenmaßnahmen zu entwickeln und die astronautische Gesundheit bei Langzeitmissionen, etwa zum Mars, nachhaltig zu sichern.