8. Wissenschaftlicher Kongress „Familienmedizin in der hausärztlichen Versorgung der Zukunft“
8. Wissenschaftlicher Kongress „Familienmedizin in der hausärztlichen Versorgung der Zukunft“
Gemeinsam für unsere Patient:innen und ihre Familien – familienorientiertes Arbeiten im Team mit MFA und Physician Assistants
2Praxis für Familienmedizin, Duisburg
3Praxis Dr. med. Sebastian Hohmann
Text
Familienorientiertes Arbeiten in der Primärversorgung ist hochkomplex. Wir stoßen dabei täglich an Grenzen, die aber ganz überwiegend nicht im medizinischen, sondern im psychosozialen Bereich liegen. Gerade hier ist es wichtig neben der medizinischen Expertise ein gutes Gespür dafür zu haben, an welcher Stelle und zu welchem Zeitpunkt mit welcher Expertise andere Professionen hinzugezogen werden können. Klassischerweise stehen dafür bisher unsere medizinischen Fachangestellten (MFA) zur Verfügung, die in der Regel einen deutlich niedrigschwelligeren Zugang zu den Patient:innen und ihren Familien haben als Hausärzt:innen.
Mit der Aufnahme einer physician assistant (PA) in das Praxisteam verändert sich dieses System nachhaltig. Durch die Übernahme von Routineprozessen in der Delegation entsteht für die MFA ein:e neue:r Ansprechpartner:in, die ebenfalls ihre Fragen beantworten kann. Auch für die Patient:innen entsteht eine neue Ansprechperson mit hohem medizinischen Sachverstand und in der Regel mehr Zeit für sie als von ärztlicher Seite. Wichtig ist für das Vertrauen, dass diese sich im Zweifelsfall aber immer im Ärzteteam rückversichern kann. Gerade in der langjährigen Betreuung von Familien, in der vielfältige Transformationsprozesse stattfinden, aber auch immer wieder konfliktbeladene Situationen entstehen, können so, innerhalb einer Praxis, die Beziehungsstrukturen gewechselt, beziehungsweise auf mehrere Schultern verteilt werden, während die gesamte medizinische Verantwortung bei dem Arzt/der Ärztin bleibt. Durch diese Einführung einer dritten Hierarchieebene brechen traditionelle patriarchalische Strukturen auf, Kommunikation auf Augenhöhe kann schnell und selbstverständlich entstehen. Shared Decision Making und die flexible Betreuung von Patchworkfamilien können so zeitgemäß sichergestellt werden.
Ich hatte in einer früheren Arbeit herausgearbeitet, dass Praxisteams als Praxisfamilie betrachtet werden können. Systemisch wird hier durch die PA eine weitere, neue Rolle ausgefüllt [1]. In einer Familie wird die Position fast alles zu können, aber eben nicht selbst entscheiden zu dürfen, typischerweise Jugendlichen zugeschrieben. Es ist daher durchaus denkbar, dass durch die Einbindung einer PA in die Praxis sich die Ansprechbarkeit speziell für jugendliche Patient:innen, die bisher weder beim Kinderarzt noch beim Hausarzt ihren Platz haben, verbessert. Dies wäre eine hervorragende Chance die Versorgung auch dieser wichtigen Altersgruppe sicherzustellen, in der die Grundsteine für eine gute Gesundheitskompetenz gelegt werden.
Literatur
[1] Hemming B, Hemming A. Fluch oder Segen? Wenn der Hausarzt die ganze Familie betreut. In: 51. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Düsseldorf, 21.-23.09.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. Doc17degam002. DOI: 10.3205/17degam002[2] Hemming B. Pädiatrische Grundversorgung und Familienmedizin. In: Kalitzkus V, Wilm S, Herausgeber. Familienmedizin in der hausärztlichen Versorgung der Zukunft. Düsseldorf: dup; 2013. S. 239-45.
[3] KVWL. Ein Fall für Zwei: Dieses PA-Duo sorgt für echte Entlastung: Modellprojekt untersucht den Einsatz von Physician Assistants in der ambulanten Versorgung. Pressemitteilung. 2023 [Zugriff 20. Juni 2023]. Verfügbar unter: https://www.kvwl.de/pressemitteilungen/detail/nachricht-ein-fall-fuer-zwei-dieses-pa-duo-sorgt-fuer-echte-entlastung



