70. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V.
70. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V.
AMIGO – Advanced Medical Intelligence for Guiding Omics-based Medicine
2Dr. von Haunerschen Kinderspital, Ludwig Maximilians Universität München, München, Germany
3MI4People gGmbH, München, Germany
Text
Einleitung: Seltene pädiatrische Erkrankungen bleiben häufig über Jahre undiagnostiziert, was zu verzögerten oder falschen Behandlungen führt. Fortschritte in der genetischen Sequenzierung eröffnen neue Diagnosewege, doch die Komplexität von Multi-Omics-Daten und das Fehlen interoperabler, KI-gestützter Werkzeuge verzögern weiterhin die Diagnostik. Ziel des AMIGO-Projekts ist es, eine skalierbare, datenschutzkonforme Plattform zur KI-gestützten Identifikation seltener Erkrankungen aufzubauen.
Methoden: Das Vorgehen basiert auf einer engen Zusammenarbeit mit Kliniken und Forschungseinrichtungen und folgt einem iterativen Entwicklungsprozess. Zunächst werden die Patientendaten auf einem gesicherten Klinikserver der Ludwig-Maximilians-Universität Klinik gespeichert, der von außen nicht zugänglich ist, um höchsten Datenschutz zu gewährleisten. Erste Modelle werden mit verschiedenen Algorithmen getestet und optimiert, um Diagnosetools zu entwickeln. Es werden Node-Embedding-Algorithmen der Neo4J-Graph-Data-Science-Bibliothek, wie FastRP und Node2Vec genutzt und mit klassischen Machine Learning Methoden sowie publizierten Methoden wie SHEPHERD verglichen.
Eine initiale Clustering-Analyse fokussiert sich auf die Identifikation von Biomarkern, die zur Erkennung seltener Erkrankungen erforderlich sind. Basierend auf diesen Erkenntnissen soll ein Modell etabliert werden, das personalisierte Diagnostikansätze und spezifische Krankheitsmerkmale vorschlägt. Ein zentraler Bestandteil des Projekts ist die Integration von Federated Learning auf der Plattform FeatureCloud.ai. Dies ermöglicht ein dezentrales Training der Modelle, sodass die Daten sicher in den jeweiligen Kliniken verbleiben und nicht zentralisiert werden müssen. Nach dem Training werden die entwickelten Modelle in FeatureCloud.ai gespeichert und anderen Kliniken zur Verfügung gestellt, sodass diese die Modelle zur Optimierung ihrer eigenen Diagnostikprozesse nutzen können.
Die Datenbasis stammt dabei aus der Scivias-Studie, die aktuell 2500 Kinder inklusive Kontrollgruppe umfasst. Bereits integrierte Datentypen umfassen Anamnese-Fragebogen, Arztbriefe, genomische Varianten, Proteomdaten und klinische Routinelabordaten. Eine Erweiterung um die Arzneimittelberichte, Bulk-/Single-Cell-RNA-Daten, Metabolomdaten und ophthalmologische Analysen ist derzeit geplant. Zusätzlich wurde Hintergrundwissen modelliert und als Knowledge Graphen in der Datenbank eingebaut.
Ergebnisse: Das AMIGO-Projekt zielt darauf ab, in der ersten Phase Daten von 6.000 pädiatrischen Patienten zu erheben, mit dem langfristigen Ziel, diese Zahl auf 100.000 Patienten zu erweitern. Die daraus gewonnenen Daten werden für die Entwicklung robuster Variant-to-Function-Tools und die Anwendung föderierter maschineller Lernmethoden genutzt. Diese Infrastruktur ermöglicht eine signifikante Verkürzung der Diagnosezeiten und eine präzisere Identifikation therapeutischer Optionen. Derzeit werden verschiedene KI-Algorithmen entwickelt, getestet und optimiert, um Diagnostikprozesse zu verfeinern. Das Projekt soll Kliniken eine skalierbare Lösung bieten, um eigene Diagnosetools aufzubauen und die Ergebnisse für seltene pädiatrische Erkrankungen zu optimieren.
Ziel ist ein interoperables Diagnosesystem, das Kliniken erlaubt, eigene Modelle zu trainieren oder bestehende Modelle auf lokalen Daten zu validieren. Durch föderiertes Lernen wird nicht nur der Datenschutz gewahrt, sondern auch eine nachhaltige, dezentrale Nutzung von Diagnosetools ermöglicht. Durch den integrierten Knowledge Graphen können zusätzlich neueste Erkenntnisse einbezogen werden und in der Modellierung integriert werden.
Schlussfolgerung: AMIGO adressiert die Herausforderungen seltener pädiatrischer Erkrankungen mit einem innovativen, skalierbaren und datenschutzkonformen Ansatz. Die Kombination aus Multi-Omics-Datenintegration, Graphanalyse und Federated Learning verspricht eine signifikante Verkürzung diagnostischer Odyseen. Durch frühzeitige klinische Partnerschaften, ethische Begleitung und einen technologisch robusten Aufbau wird die Basis für eine nachhaltige Plattform geschaffen. Langfristig wird AMIGO dazu beitragen, die medizinische Versorgung von Kindern mit seltenen Erkrankungen erheblich zu verbessern, indem es eine effiziente und präzise Diagnostik sowie personalisierte Behandlungsansätze ermöglicht.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.
Literatur
[1] Alsentzer E, Li MM, Kobren SN, Noori A; Undiagnosed Diseases Network; Kohane IS, Zitnik M. Few shot learning for phenotype-driven diagnosis of patients with rare genetic diseases. NPJ Digit Med. 2025 Jun 20;8(1):380. DOI: 10.1038/s41746-025-01749-1[2] Neo4j. Neo4j Graph Data Science. Available from: https://neo4j.com/product/graph-data-science/



