65. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie
65. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie
Die avaskuläre Kahnbeinnekrose bei Daumenhypoplasie – eine Fallserie
2Klinik für Hand-, Plastische- und Rekonstruktive Chirurgie, Mikrochirurgie, Schwerbrandverletztenzentrum, BG Klinik Ludwigshafen, Ludwigshafen, Deutschland
3Klinik und Poliklinik für Chirurgie II, Uniklinikum Würzburg, Würzburg, Deutschland
Text
Fragestellung: Die avaskuläre Nekrose (AVN) des Kahnbeins ist selten, insbesondere in Kombination mit einer Daumenhypoplasie. Während im Rahmen der radialen longitudinalen Fehlbildung (RLD) mehrere Strukturen der radialen Säule betroffen sein können, wurde eine systematische Analyse der AVN in diesem Kontext bislang nie systematisch beschrieben. Wir präsentieren die erste Fallserie zu dieser Konstellation mit Fokus auf klinische und radiologische Merkmale, Behandlungsstrategien und funktionelle Ergebnisse.
Methodik: Retrospektiv wurden Patient:innen eingeschlossen, die zwischen 1995 und 2024 mit Daumenhypoplasie und radiologisch oder histologisch gesicherter Kahnbeinnekrose in unserer Klinik behandelt wurden. Traumatisch bedingte Nekrosen wurden ausgeschlossen. Die Bildgebung wurde hinsichtlich AVN-Stadium, Kahnbeinmorphologie und RLD-Phänotyp anhand etablierter Klassifikationen ausgewertet. Es erfolgte eine deskriptive Analyse; funktionelle Verläufe wurden bei Vorliegen von Follow-up-Daten erfasst.
Ergebnisse: Es wurden 10 Patient:innen (8 weiblich) eingeschlossen. Eine bilaterale Daumenhypoplasie lag in 5 Fällen vor (1× Holt-Oram-Syndrom). In 7 von 9 Fällen mit dokumentierter Dominanz war die dominante Hand betroffen. Das mittlere Alter bei Symptombeginn betrug 32,4 ± 7,8 Jahre. 2 Patient:innen stellten sich initial mit unspezifischen Handschmerzen vor, bei 8 war die Kahnbeinsymptomatik der Anlass zur Diagnostik. Ein Risikofaktor (Nikotinabusus) wurde in nur einem Fall identifiziert. Begleitpathologien umfassten Karpaltunnelsyndrom (n=3) und Ulna-Impaction-Syndrom (n=2). Als morphologische Varianten fiel bei 2 Patient:innen ein bipartites Kahnbein auf. Operative Verfahren umfassten die Proximal row carpectomy (n=2), mediokarpale Teilarthrodese (n=2), Kahnbeinresektion (n=1) sowie nach initialem arthroskopischem TFCC-Debridement eine Handgelenksdenervation (n=1). Weitere Fälle wurden konservativ behandelt. Ein Follow-up lag bei 7 Patient:innen vor (im Mittel 7 Jahre). 5 waren beschwerdefrei oder nahezu beschwerdefrei, 2 berichteten tolerable Beschwerden. Revisionen waren nicht erforderlich.
Schlussfolgerung: Diese erste Fallserie zur Kahnbeinnekrose bei Daumenhypoplasie weist auf einen möglichen entwicklungsbedingten Zusammenhang hin. Die frühzeitige Erkennung dieser seltenen Kombination ist entscheidend, um Fehldiagnosen und verspätete Therapien zu vermeiden. Eine gezielte Bildgebung mit RLD-Klassifikation und Beurteilung der Kahnbeinmorphologie sollte bei radialen Fehlbildungen mit unklaren Handgelenkbeschwerden erfolgen. Weitere multizentrische und idealerweise prospektive Studien sind erforderlich, um die Pathogenese, das Risikoprofil und therapeutische Algorithmen besser zu verstehen und zu validieren.



