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65. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie

Deutsche Gesellschaft für Handchirurgie
16.-18.10.2025
Würzburg


Meeting Abstract

Beugesehnenrupturen nach palmarer Plattenosteosynthese – eine überschätzte Komplikation

Stefanie Wieschollek 1
Careen Knie-Heinemann 1
Kai Megerle 1
1Schön Klinik Harlaching, Zentrum für Handchirurgie, Mikrochirurgie und plastische Chirurgie, München, Deutschland

Text

Fragestellung: Die häufigste operative Versorgungsmethode bei distaler Radiusfraktur ist die palmare Plattenosteosynthese. Moderne Implantate machen eine spätere Materialentfernung (ME) nicht zwingend erforderlich. Die Zahl der MEs erscheint jedoch erstaunlich hoch. Oft wird die Empfehlung sehr großzügig ausgesprochen. Begründet wird dies im Wesentlichen mit der Sorge einer Ruptur der Beugesehnen, auch wenn die Inzidenz mit 2–12% objektiv gering ist. Die Masse an MEs stellt das Gesundheitssystem zunehmend vor organisatorische und sozioökonomische Herausforderungen. Es sollte eruiert werden, ob die Anzahl medizinisch vertretbar gesenkt werden kann.

Methodik: Es erfolgte eine Aktenanalyse von 1.005 Patienten mit primärer palmarer Plattenosteosynthese zwischen Januar 2018 bis Dezember 2024 am eigenen Haus. Begutachtet wurde die Anzahl der dokumentierten Beugesehnenrupturen, die Häufigkeit einer ME sowie die Zeit bis zur ME. Parallel dazu wurden Patienten identifiziert, die in identischem Zeitraum aufgrund einer Beugesehnenruptur nach palmarer Plattenosteosynthese bei uns behandelt wurden. Bei diesen Patienten wurde die Plattenlage mittels der Klassifikation nach Soong beurteilt sowie die Zeit von Implantation der Platte bis zur Diagnose einer Beugesehnenruptur.

Ergebnisse: Bei 1.005 Fällen mit primärer palmarer Plattenosteosynthese im eigenen Haus wurde keine Beugesehnenruptur identifiziert. 465 (ca. 50%) der Platten wurden im Verlauf entfernt, im Schnitt nach 10,2 Monate. Es fanden sich 10 Fälle mit Beugesehnenrupturen nach externer Osteosynthese. 9 Fälle zeigten eine Plattenlage Typ 2 nach Soong. Bei diesen Fällen betrug die durchschnittliche Zeit von Primär-OP bis zur Diagnose einer Sehnenruptur 2,2 Jahre (0,5–5 Jahre). In einem Fall handelte es sich um eine Plattenlage Typ Soong 1. Hier betrug die Zeit bis zur Ruptur über 20 Jahre. Bei allen Fällen trat eine Ruptur der langen Daumenbeugesehne (FPL), bei 2 Fällen eine zusätzliche Ruptur der tiefen Zeigefingerbeugesehne (FDP II) auf. Es handelte sich um 3 Männer und 7 Frauen. Das Durchschnittsalter zum Zeitpunkt der Beugesehnenruptur betrug 68 Jahre.

Schlussfolgerung: Das Auftreten einer Beugesehnenruptur nach palmarer Plattenosteosynthese ist eine überschätzte Komplikation. Eine generelle Empfehlung zur ME erscheint nicht sinnvoll, insbesondere bei korrekter Plattenlage. Beugesehnenrupturen treten gehäuft bei distaler Plattenlage auf. Eine ME innerhalb der ersten 6 Monate postoperativ kann dies verhindern.

Im eigenen Algorithmus empfehlen wir eine ME bei weit distaler Implantatlage nach ca. 4–6 Monaten. Auf Wunsch oder aufgrund anderer Kriterien (z.B. Patientenalter) kann eine ME nach ca. 1 Jahr erfolgen. Wie weit die Zahl der Materialentfernungen noch gesenkt werden kann, ohne das Auftreten von Beugesehnenrupturen zu erhöhen, bleibt Bestandteil weiterer Studien.