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70. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V.

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS)
07.-11.09.2025
Jena


Meeting Abstract

HISTOPATH – digitale Strukturierung histopathologischer Plazentabefunde zur Risikostratifizierung bei Schwangerschaftspathologien

Yvonne Heimann 1
Nanae Sai 1
Hanna Elena Gatzemeier 1
Silke Große 1
Ekkehard Schleußner 1
Friederike Weschenfelder 1
Tanja Groten 2
Anne Rüllich 1
Janine Zöllkau 1
1Universitätsklinikum Jena, Jena, Germany
2Universitätsklinikum Köln, Köln, Germany

Text

Einleitung: Die histopathologische Untersuchung der Plazenta spielt eine zentrale Rolle in der klinischen und wissenschaftlichen Bewertung schwangerschaftsassoziierter Pathologien, wie der fetalen Wachstumsrestriktion (fetal growth restriction, FGR) bei Plazentainsuffizienz. Bisher sind histopathologische Freitextbefunde jedoch aufgrund fehlender Standardisierung in ihrer Vergleichbarkeit eingeschränkt. Ziel des Projektes HISTOPATH ist es daher, diese Datenquelle digital zugänglich zu machen. Klinisch relevante Begriffe wie „Entzündungszeichen“ oder „hypoplastische Plazenta“ sollen automatisiert erkannt und die damit verbundenen Informationen extrahiert werden. So sollen bestehende Daten systematisch nutzbar gemacht, Unterschiede zwischen Schwangerschaftskomplikationen analysiert und die Grundlage für standardisierte Auswerteverfahren geschaffen werden.

Methoden: Histopathologische Befunde von Plazenten werden am untersuchenden Perinatalzentrum Level 1 routinemäßig und standardisiert nach jeder Geburt angefordert. Diese umfassen, unabhängig von etwaigen schwangerschaftsassoziierten Erkrankungen, allgemeine Merkmale der eingesandten Plazenta (bspw. Abmessungen, Gewicht und Gewichtsperzentile).

Um diese Informationen zukünftig systematisch analysieren zu können, ohne sie erneut vollständig manuell erfassen zu müssen, wurde das Projekt HISTOPATH initiiert. Ziel ist es, mit Hilfe von NLP- oder LLM-Modellen ein Verfahren zu automatisierten Extraktion relevanter Inhalte aus den vorliegenden Freitextbefunden zu entwickeln. Im Rahmen des Projektes wird geprüft, ob dafür ein neues Modell trainiert werden muss oder ob bestehende Lösungen adaptiert werden können. Ebenso wird geprüft, ob eine manuelle Annotation erforderlich ist oder bereits verfügbare, domänenspezifische Tools eingesetzt werden können.

Als klinischer Use-Case sollen die extrahierten histopathologischer Merkmale mit geburtshilflich-klinischen Routinedaten verknüpft werden. Durch Subgruppenanalysen schwangerschaftsassoziierter Pathologien im Vergleich zu gesunden Kontrollverläufen sollen systematische Unterschiede identifiziert und potenziell neue pathophysiologische Erkenntnisse abgeleitet werden. Dabei wird vor allem die Übertragbarkeit geprüft, da aktuelle Tools vor allem im Bereich der Onkologie [1] oder anderer Fachgebiete zur Verfügung stehen [2], nicht aber im geburtshilflichen Bereich.

Ergebnisse: Seit 2010 wurden 4.069 histopatholgische Plazentabefunde als PDF gespeichert. Klinische Gruppen des Kollektivs umfassen 312 Zwillings- und 11 Drillingsschwangerschaften sowie Schwangerschaften kompliziert durch Präeklampsie (267), Diabetes (535), Amnioninfektionssyndrom (300) oder Schwangerschaftscholestase (39), ergänzt durch ca. 1.060 gesunde Kontrollen.

Detaillierte Analysen und Ergebnisse werden zum Kongress präsentiert.

Schlussfolgerung: Über Sekundärdatennutzung ermöglicht das HISTOPATH-Projekt die Korrelation spezifischer histopathologischer Merkmale (z. B. chronisch-entzündliche Läsionen, materno-plazentare Durchblutungsstörungen) mit klinischen Schwangerschaftsverläufen. Diese strukturierte Datenbasis erlaubt die systematische Analyse des Zusammenhangs zwischen Plazentapathologien und perinatalen Komplikationen, einschließlich FGR und Frühgeburten. Dadurch soll eine Brücke zwischen Grundlagenforschung und klinischer Anwendung geschlagen werden – insbesondere für Fragestellungen wie FGR oder Plazentainsuffizienz. Der Ansatz ermöglicht den Zugriff auf medizinisch relevante Befundstrukturen auch ohne bestehende standardisierte Datenbanken und schafft so eine Grundlage für systematische, datengetriebene Untersuchungen pathophysiologischer Zusammenhänge.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.


References

[1] Bowles A, Perez C, Vachani A, et al. An NLP Framework for the Extraction of Concept Measurements from Radiology and Pathology Notes. Stud Health Technol Inform. 2024;310:1446-47.
[2] Omar M, Sharif K, Glicksberg B, Nadkarni GN, Klang E. Emerging Applications of NLP and Large Language Models in Gastroenterology and Hepatology: A Systematic Review [Preprint]. medRxiv. 2024:2024.06.26.24309567.