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70. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V.

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS)
07.-11.09.2025
Jena


Meeting Abstract

Eignung von Discrete Event Simulation als Werkzeug zur Beurteilung einer temporären Sprechstunde in Bezug auf das Overcrowding in der Notaufnahme

Arne Reuter 1
Christian Juhra 2
1FACT IT GmbH, St. Franziskus-Stiftung, Münster, Germany
2Universitätsklinikum Münster, Münster, Germany

Text

Einleitung: Die bisektorale Notfallversorgung in Deutschland fügt dem internationalen Phänomen des Overcrowding [1] eine weitere Dimension hinzu. Die Optimierung dieser Notfallversorgung stellt Häuser jedweder Stufe vor eine Herausforderung. Es sollte im Folgenden geprüft werden, ob eine computergestützte Simulation ein geeignetes Werkzeug ist, um Lösungsansätze für die Optimierung der Notaufnahme in einem nicht-universitären Krankenhaus der Basisnotfallversorgung zu liefern [2].

Methodik: In dieser Studie wurde exemplarisch der Einfluss einer speziellen Sprechstunde für nicht-dringende Patienten auf das „Throughput“ untersucht [3]. Im Discrete Event Simulation-Modell, das in der Arena Simulation Software von Rockwell Automation auf Basis von SIMAN aufgebaut wurde, wurden ausschließlich Ärzte als Ressource betrachtet.

Aus einer Vielzahl möglicher Indikatoren (KPI) [4] wurden in jeweils zehn Durchgängen durchschnittliche Wartezeiten der Patienten, die Verteilung der Einsatzzeit der Ärzte, sowie die Anzahl der Patienten, die ohne Arztkontakt die Notaufnahme verlassen hat, ermittelt. Im zweiten Szenario wurden während eines 16-Stunden-Tages zwei Mal je einstündige Sprechstunden durchgeführt, die ausschließlich den weniger dringend eingeschätzten Patienten vorbehalten waren, die bereits am längsten in der Notaufnahme warteten. Eine ausführliche Überprüfung der korrekten Funktionsweise des Modells (Verifikation) ist erfolgt [5].

Ergebnisse: In der Simulation konnten im Vergleich zum Basisszenario ohne spezielle Sprechstunde insgesamt mehr Patienten behandelt werden. Die Anzahl der Patienten ohne Arztkontakt sank entsprechend. Die beteiligten Ärzte verbrachten messbar weniger Zeit auf den Wegen vom und zum Patienten. Die höher triagierten Patienten mussten durchschnittlich eine deutlich höhere Wartezeit in Kauf nehmen als im Basisszenario.

Die in der Sprechstunde verbrachte Zeit der Ärzte, die Anzahl der behandelten Patienten und damit der Effekt insgesamt fielen geringer aus als erwartet. Ursächlich konnte im Simulationsverlauf beobachtet werden, dass die Ärzte häufig mit ihrem vorherigen Fall beschäftigt waren und erst später als vorgesehen den Dienst in der Sprechstunde aufnahmen.

Diskussion: Ziel dieser Studie war es zu testen, inwieweit das Werkzeug Computergestützte Simulation für die Verbesserung einer Overcrowding-Situation in Notaufnahmen geeignet sein könnte. Es konnte gezeigt werden, dass in der Simulation die Veränderungen in Hinblick auf verschiedene KPI prognostiziert werden können.

Im simulierten Fall wurde die Versorgung der weniger dringend eingeschätzten Patienten zwar leicht verbessert, die Wartezeit für die dringlicheren Patienten dagegen risikobehaftet verlängert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zwar die Struktur einer realen Notaufnahme als Vorbild diente, aber aufgrund der starken Vereinfachung des Modells die zu diesem Zeitpunkt ermittelten Zahlen nur eine tendenzielle Ausagekraft haben.

Schlussfolgerung: Das Modell ist für die Beantwortung der Fragestellung grundsätzlich geeignet. Der nächste Schritt besteht darin, das Modell für eine reale Fragestellung einer Notaufnahme der Basisnotfallversorgung zu erweitern. Für eine konkrete Beurteilung sollte dann das Modell um Indikatoren für sowohl die Qualität der Patientenversorgung als auch die wirtschaftlichen Konsequenzen ergänzt werden.

Es ist dabei darauf zu achten, die Modelltiefe auf die für die Fragestellung notwendige Komplexität zu begrenzen. Eine erfolgreiche Validierung erfordert ex ante sowohl einen umfangreichen Austausch mit dem Prozessmanagement des betreffenden Krankenhauses als auch die Extraktion bzw. Erhebung von zahlreichen Daten in der Notaufnahme.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


References

[1] Hoot NR, Aronsky D. Systematic review of emergency department crowding: Causes, effects, and solutions. Ann Emerg Med. 2008;52(2):126–36. DOI: 10.1016/j.annemergmed.2008.03.014
[2] Fone D, Hollinghurst S, Temple M, Round A, Lester N, Weightman A, et al. Systematic review of the use and value of computer simulation modelling in population health and health care delivery. J Public Health Med. 2003; 25(4):325–35. DOI: 10.1093/pubmed/fdg075
[3] Asplin BR, Magid DJ, Rhodes KV, Solberg LI, Lurie N, Camargo CA. A conceptual model of emergency department crowding. Ann Emerg Med. 2003;42(2):173–80. DOI: 10.1067/mem.2003.302
[4] Pearce S, Marchand T, Shannon T, Ganshorn H, Lang E. Emergency department crowding: an overview of reviews describing measures causes, and harms. Intern Emerg Med.2023;18(4):1137–58. DOI: 10.1007/s11739-023-03239-2
[5] Law AM. How to build valid and credible simulation models. In: Proceedings 2019 Winter Simulation Conference (WSC); 2019 Dec 8-11. IEEE; 2019. p. 1402–14. DOI: 10.1109/WSC40007.2019.9004789