70. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V.
70. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V.
Konzept und Ergebnisse des Datenlinkage von Krebsregister- und Abrechnungsdaten im Rahmen des Innovationsfondsprojekts „DigiNet“
2Universitätsmedizin Greifswald, Unabhängige Treuhandstelle, Greifswald, Germany
3Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Germany
4Nationales Netzwerk Genomische Medizin (nNGM) Lungenkrebs, Köln, Germany
5Universitätsklinikum Köln, Centrum für Integrierte Onkologie (CIO), Klinik I für Innere Medizin, Köln, Germany
6Universitätsklinikum Köln, Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie (IGKE), Köln, Germany
7FOM Hochschule für Oekonomie & Management gemeinnützige Gesellschaft mbH, Essen, Germany
8Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), AOK Bundesverband, Berlin, Germany
9BARMER, Wuppertal, Germany
10Landeskrebsregister Nordrhein-Westfalen, Bochum, Germany
Text
Einleitung: Das Innovationsfondsprojekt „DigiNet“ (Förderkennzeichen: 01NVF20021) hat das Ziel, den Einsatz personalisierter Therapien für Patient:innen mit fortgeschrittenem nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) in der Regelversorgung zu optimieren [1]. Dazu werden spezialisierte forschungsnahe Zentren mit einer Vielzahl von Leistungserbringern in der Breite der Versorgung – sowohl im ambulanten als auch stationären Sektor – digital vernetzt. Das Projekt baut auf dem nationalen Netzwerk Genomische Medizin Lungenkrebs (nNGM) auf und wird vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gefördert. Diese prospektiv vergleichende Kohortenstudie mit einer Laufzeit von 48 Monaten untersucht als primären Endpunkt das Gesamtüberleben der Patient:innen in der aktiv rekrutierten DigiNet-Interventionsgruppe im Vergleich zu einer bevölkerungsbezogenen Vergleichsgruppe (bVG). Diese bVG wird über einen Kohortenabgleich in den Krebsregistern der Modellregionen Ost (Berlin und Sachsen) und West (Nordrhein-Westfalen) ermittelt. Für die Durchführung der gesundheitsökonomischen Evaluation stellen die an DigiNet beteiligten gesetzlichen Krankenkassen die Abrechnungsdaten ihrer Versicherten zur Verfügung. Da die Krankenkassen weder die Histologie noch das Tumorstadium erfassen, müssen die Abrechnungsdaten fallspezifisch mit den Krebsregisterdaten verknüpft werden. Ziel war es, ein Konzept für die Verknüpfung von Krebsregister- und Abrechnungsdaten zu entwickeln.
Methoden: Das Konzept zur Verknüpfung der Krebsregister- und Abrechnungsdaten der bVG wurde unter Berücksichtigung der jeweiligen länderspezifischen Krebsregistergesetze sowie § 75 des Zehnten Sozialgesetzbuches (SGB X) und unter Einhaltung der Empfehlungen der Guten Praxis Datenlinkage [2] konzipiert. Das implementierte Privacy-Preserving Record Linkage (PPRL) gewährleistet, dass keine Rückschlüsse auf die Identität der Patient:innen der bVG möglich sind. Dies erfolgt über ein exaktes Linkage-Verfahren auf Basis der Krankenversichertennummer (KVNR). Entscheidend ist dabei, dass für eine KVNR stets derselbe Linkage-Schlüssel generiert wird. Dafür werden die KVNRs innerhalb der datenhaltenden Stellen (Krebsregister und Krankenkassen) per Hashing verschlüsselt, wobei die datenhaltenden Stellen mehrere „Geheimcodes“ definieren, welche als Seed für die verwendeten Hashing-Algorithmen dienen und in die Softwarekonfiguration eingetragen werden. Außerhalb der datenhaltenden Stellen sind keine Rückschlüsse auf die KVNR möglich. Die Daten werden anschließend zusammen mit den Linkage-Schlüsseln an eine Treuhandstelle versendet. Dort erfolgt die fallspezifische Zusammenführung der Krebsregister- und Krankenkassendaten anhand der Linkage-Schlüssel. Nach der Zusammenführung werden die Linkage-Schlüssel entfernt, durch Evaluations-Pseudonyme ersetzt und die pseudonymisierten Daten der bVG den evaluierenden Stellen zur weiteren Analyse bereitgestellt.
Ergebnisse: Im Rahmen der Probedurchläufe der Datenflüsse im dritten und vierten Quartal 2024 konnte die Machbarkeit des Datenlinkage-Konzepts geprüft und bestätigt werden. Das finale Datenlinkage der Krebsregister- und Abrechnungsdaten der bVG ist für das zweite Quartal 2025 geplant. Die Ergebnisse werden entsprechend präsentiert.
Diskussion: Die Konzeption und Beantragung der Verknüpfung versorgungsnaher Daten aus verschiedenen Quellen zu Forschungszwecken war aufgrund der unterschiedlichen Rechtsgrundlagen und der Vielzahl der beteiligten Stakeholder komplex und zeitaufwendig. Jedoch ist die Evaluation der neuen Versorgungsform „DigiNet“ erst durch den Einbezug und die Verknüpfung versorgungsnaher Daten valide möglich.
Schlussfolgerung: Das im Rahmen von DigiNet entwickelte PPRL-Konzept zur Verknüpfung von Krebsregister- und Abrechnungsdaten auf Basis der KVNR ohne Vorliegen einer Einwilligungserklärung der Patient:innen kann nach erfolgreicher Umsetzung als Modell für weitere Versorgungsforschungsprojekte dienen.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.
Der Beitrag wurde bereits publiziert: [3]
References
[1] Improvement of Personalized Lung Cancer Care through Digital Connection and Patient Participation (DigiNet). NCT05818449. ClinicalTrials.gov; 2024. Available from: https://clinicaltrials.gov/study/NCT05818449[2] March S, Andrich S, Drepper J, Horenkamp-Sonntag D, Icks A, Ihle P, et al. Gute Praxis Datenlinkage (Gpd). Gesundheitswesen. 2019;81(08/09):636-50. DOI: 10.1055/a-0962-9933
[3] Kästner A, van den Berg N, Kron A, Naumann P, Fielder-Lacombe L, Stahl D, Spier A, Simic D, Eilers L, Lührig U, Dröge P, Ruhnke T, Nussbaum U, Rasokat A, Mildenberger V, Stock S, Kron F, Wolf J, Hoffmann W. Nutzung und Verknüpfung versorgungsnaher Daten zur Evaluation neuer Versorgungsformen am Beispiel des Innovationsfondsprojekts „DigiNet“. In: 23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 25.-27.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. Doc24dkvf288. DOI: 10.3205/24dkvf288



