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German Congress of Orthopaedics and Traumatology (DKOU 2025)

Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC), Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU), Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU)
28.-31.10.2025
Berlin


Meeting Abstract

Ötzi: Klinische Folgen der Pfeilverletzung

Jochen Weber 1
Joachim Wahl 2
Marco Samadelli 3
Albert Zink 3
1FA für Neurochirurgie, Reutlingen, Deutschland
2Paleoanthropologie, Universität Tübingen, Tübingen, Deutschland
3Eurac Research, Institut für Mumienforschung, Bozen, Italien

Text

Zielsetzung und Fragestellung: Eine Pfeilverletzung der linken Schulter steht im Zentrum der Diskussion um die Todesursache der Eismumie aus den Ötztaler Alpen (Ötzi). Ziel der Untersuchung ist es, anhand des Wundkanals sowie der dadurch resultierenden Verletzungen eine Aussage zu den klinischen Folgen abzuleiten.

Material und Methoden: Grundlage der Studie sind CT-Untersuchungen und Fotographien der Mumie. Auffallend ist u.a. die ungewöhnliche Haltung des linken Armes (Abbildung 1 [Fig. 1]) und das geringe Körpergewicht der Mumie (13 kg – Muskelgewebe kaum erkennbar). Es erfolgt daher eine Rekonstruktion der Verletzung bei physiologischer Armhaltung an einer rezenten Person (geschätzt: 66 kg – BMI 22,0) zur bessern Beurteilung.

Abbildung 1: Mumie in Bauchlage (wie Fundsituation): kutane Pfeilverletzung, posttraumatisches OA-Hämatom und abnorme Armhaltung links sind zu erkennen.

Ergebnisse: Die Hautverletzung befindet sich unterhalb der Spina scapulae links (Abbildung 1 [Fig. 1]). Die in situ verbliebene Pfeilspitze aus Flint perforierte den Musculus infraspinatus und M. subscapularis mit dazwischen liegender Lochfraktur der Fossa infraspinata. Kreuzte dann die Verschiebeschicht zwischen Scapula und Thoraxwand. Sie kam zwischen der zweiten Rippe und dem Processus coracoideus nahe des axillären Gefäßnervenbündels zu liegen.

Der Wundkanal erreicht bei einer physiologischen Rekonstruktion eine Länge von 11–13 cm (Breite der Pfeilspitze 17 mm) und verläuft ausschließlich im Bereich einer anatomisch nicht präformierten Körperhöhle. Ein raumforderndes subscapuläres Hämatom ist im Seitenvergleich im CT nicht nachweisbar. Entsprechend der zu erwartenden Ausdehnung des Hämatoms findet sich eine (sub)cutane Blutung im Bereich des medialen Oberarms links (Abbildung 1 [Fig. 1]). Der Blutverlust wird auf etwa 500 ml geschätzt, wobei eine klinisch relevante extrakorporale Blutung aufgrund des Verlaufs und Länge des Wundkanals unwahrscheinlich erscheint. Die abnorme linksseitige Armhaltung führt zu einer Kompression der Wunde, die durch die Bauchlage (Fundsituation) noch verstärkt wird.

Diskussion und Schlussfolgerung: Die Pfeilverletzung führte zu einer umschriebenen Blutung, was einen akuten hämorrhagischen Schock unwahrscheinlich macht. Das Trauma dürfte mehrere Stunden überlebt worden sein. Der Fundort der Mumie auf 3.210 m über NN ist wohl nicht der Tatort. Die abnorme Haltung des linken Arms kann als Versuch einer Blutstillung gedeutet werden. In dieser Position trat der Tod ein.