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German Congress of Orthopaedics and Traumatology (DKOU 2025)

Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC), Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU), Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU)
28.-31.10.2025
Berlin


Meeting Abstract

Die Glenoidmorphologie bei epileptischen Patienten wird durch die tonisch-klonische Anfallsbelastung beeinflusst

Davide Cucchi
Filippo Maria Piana Jacquot 1
Sofia Fragedakis 1
Jan Petersen 1
Amadeo Touet 1
Alberto Alfieri Zellner 1
Sebastian Scheidt 1
Henry Pennig 1
Tobias Baumgartner 1
Dieter C. Wirtz 1
1Universitätsklinikum Bonn, Bonn, Deutschland

Text

Zielsetzung und Fragestellung: Epileptische Patienten erleiden häufig eine Vielzahl von Schulterverletzungen, darunter seltene Befunde wie bilaterale Schulterläsionen und hintere Luxationen. Eine verstärkte Glenoid-Retroversion wird mit posteriorer Instabilität assoziiert, jedoch bleibt unklar, ob diese knöchernen Veränderungen prädiktiv oder adaptiv sind. Während tonisch-klonischer Anfälle nimmt die Schulter oft eine Position von Adduktion, Innenrotation und Flexion ein. Diese Haltung führt dazu, dass der Humeruskopf durch Kontraktionen des Infraspinatus, Teres minor, Deltamuskel, Latissimus dorsi und Teres major kranial und posterior gegen die Glenoidpfanne gedrückt wird. Diese Kräfte können zu akuten hinteren Luxationen oder allmählichen knöchernen Anpassungen führen, insbesondere während der Wachstumsphase. Ziel dieser Studie war es zu untersuchen, ob die Häufigkeit tonisch-klonischer Anfälle den Glenoidversionswinkel beeinflusst.

Material und Methoden: Patienten aus einem tertiären Epilepsiezentrum wurden untersucht. Dauer der Epilepsie und Anfallshäufigkeit wurden erfasst, und Glenoidversion sowie posteriore Humerussubluxation mittels axialer MRT gemessen. Die kumulative Belastung durch tonisch-klonische Anfälle (TCSB) wurde berechnet (Epilepsiedauer × jährliche Anfallshäufigkeit). Patienten wurden in Gruppen ohne TCSB, mit niedriger TCSB (<40) und hoher TCSB (>40) eingeteilt.

Ergebnisse: Daten von 91 Patienten wurden analysiert: 29 ohne TCSB, 34 mit niedriger und 28 mit hoher TCSB (Alter: 35 ± 11,6; 33,46 ± 10,58; 36,13 ± 12,26, p = n.s.). Eine Einweg-ANOVA zeigte signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen in der Glenoidversion (91,93° ± 4,01°, 93,78° ± 4,74°, 96,67° ± 4,73°; p = 0.0004), posteriore Humerussubluxation (51% ± 4%, 55% ± 5%, 56% ± 4%; p = 0.0001) und Glenoidvault-Winkel (13,37° ± 4,17°, 16,6° ± 4,32°, 21,07° ± 5,69°; p < 0.0001). Die intra- und interrater Reliabilität war für Winkelmessungen höher als für Subluxationsmessungen (intra-rater: 0,807–0,864 vs. 0,610–0,719; inter-rater: 0,642–0,829 vs. 0,492–0,656).

Diskussion und Schlussfolgerung: Epileptische Patienten mit häufigen tonisch-klonischen Anfällen weisen eine stärkere Glenoid-Retroversion, größere Vault-Winkel und posteriore Humerussubluxationen auf als Patienten mit seltenen oder keinen Anfällen. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass wiederholte hintere Muskelkontraktionen während der Anfälle zu plastischen Deformationen des Glenoids führen können, insbesondere während des Wachstums. Dies erklärt möglicherweise die erhöhte Häufigkeit posteriorer Instabilitätsereignisse bei epileptischen Patienten mit wiederkehrenden tonisch-klonischen Anfällen.