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36. Kongress der Deutschen Kontinenz Gesellschaft e.V.

Deutsche Kontinenz Gesellschaft e.V.
14.-15.11.2025
Bielefeld


Meeting Abstract

Die inkontinente Patientin in der Zeitung – Empfehlungen zur medialen Verarbeitung von schambesetzten Patientenschicksalen als Instrument der Öffentlichkeitsarbeit

Ahmed Al-Badani 1
Ute Laumann 2
Sophia Allemeyer 3
Erik Allemeyer 4
1Proktologie, Kontinenz- und Beckenbodenchirurgie und Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Franziskus-Hospital Harderberg, Georgsmarienhütte, Deutschland
2Niels-Stensen Kliniken, Osnabrück, Deutschland
3Psychologische Hochschule Berlin, Berlin, Deutschland
4Klinik für Proktologie, Kontinenz- und Beckenbodenchirurgie, Franziskus-Hospital Harderberg, Georgsmarienhütte, Deutschland

Text

Einleitung: Die Darstellung von erfolgreichen Behandlungsverläufen ist ein häufig eingesetztes Instrument der Öffentlichkeitsarbeit im Gesundheitswesen [1] mit vier möglichen Wirkungsebenen:

  1. Aufklärung und Vertrauensbildung für Betroffene und Angehörige mit besonderer Bedeutung für schambesetzte Erkrankungen [1].
  2. Das Erzählen von Erfolgsgeschichten kann Patient*innen in ihrer Krankheitsverarbeitung unterstützen, indem es ihre Selbstwirksamkeit fördert [2], eine Sinngebung für ihr Krankheitsschicksal ermöglicht [3] und durch die Ermutigung anderer Betroffener sowie die damit verbundene soziale Anerkennung das Selbstwertgefühl stärkt, was insgesamt positiv zur Krankheitsbewältigung beiträgt [4], [5].
  3. Mögliche Werbeeffekte für den Leistungsanbieter [1].
  4. Print- und Online-Medien profitieren durch Inhalte mit hohem Aufmerksamkeitsgrad [6]. Besondere Aufmerksamkeit erfordert aufgrund der o.g. Vielschichtigkeit die konsequente Einhaltung von Ärztlicher Berufsordnung und Pressekodex [7], [8]. Wir haben den Forschungsstand untersucht und einen internen Leitfaden zum Vorgehen entwickelt.

Methode: Anhand vorhandener wissenschaftlicher Literatur (EMBASE, CINHAL, Medline) und durch Internet-Recherche (google) wurde der Forschungsstand zur medialen Verarbeitung von positiven individuellen Krankheitsverläufen erhoben. Hieraus hervorgehend und auf Grundlage von Ärztlicher Berufsordnung und Pressecodex entwickelten wir einen Leitfaden als sog. standard operating procedure (SOP) (Anhang 1) und ließen die Berichterstattung, den Leitfaden und seine Umsetzung durch den Leistungsanbieter (Krankenhaus, vertreten durch Stabsstellenleitung Unternehmskommunikation), Medienvertreter*innen (interviewführende Journalistinnen) und das begleitende medizinische Personal (Chefarzt und Medizinische Fachangestellte) bewerten (mündlich, offene Fragen).

Ergebnisse: Die SOP wurde in der Klinik als sog. standard operating procedure (SOP) etabliert (Anhang 1). Die Erfahrungen zu Durchführung und Ergebnis der Berichterstattung sowie Anwendbarkeit der SOP sind positiv. Die Anwendung und Bewertung einer spezifischen SOP zur medialen Verarbeitung von positiven individuellen Krankheitsverläufen ist bisher nicht publiziert. Ärztliche Berufsordnung und Pressecodex ergeben hinreichende Regelungen auch für die Berichterstattungen von Krankheitsverläufen in den Laienmedien.

Schlussfolgerung: Eine mediale Verarbeitung von positiven Krankheitsverläufen mit Darstellung individueller Patient*innenschicksale berührt ein breites juristisches und ethisches Spannungsfeld, welches durch die Ärztliche Berufsordnung und den Pressecodex geregelt ist. Eine institutsinterne SOP erleichtert die Anwendung der Regelungen mit dem Ziel der Aufklärung und Vertrauensbildung in der Arzt-Patienten-Beziehung über den direkten Patientenkontakt hinaus. Insbesondere bei schambesetzten Krankheitsbildern wie der analen Inkontinenz und anderen Erkrankungen des Beckenbodens könnte eine Mediendarstellung zur verbesserten Versorgung beitragen, indem bei gelungener medialer Aufarbeitung die Hemmschwelle zur Inanspruchnahme von Hilfeleistungen bei Betroffenen gesenkt wird. Diese Hypothese sollte durch systematische Forschung überprüft werden.

Interessenkonflikt: Dr. Erik Allemeyer erhielt Vortragshonorare der Firma Medtronic GmbH 2022 und 2024.


References

[1] Meyer auf der Heide U. Marketing und Kommunikation in der Krankenhauspraxis. 3.5 Fallbeispiele aus der Krankenhauspraxis. In: Cording-de Vries F, Hrsg. Marketing und Öffentlichkeitsarbeit im Krankenhaus. Bausteine eines integrierten marktgerichteten Managementkonzepts. Kohlhammer; 2021. (Health Care- und Krankenhaus-Management). S. 110f.
[2] Bandura A. Self-Efficacy: The Exercise of Control. W. H. Freeman; 1997.
[3] Frank AW. The Wounded Storyteller: Body, Illness, and Ethics. University of Chicago Press; 1995.
[4] White M, Epston D. Narrative means to therapeutic ends. Norton & Company; 1990.
[5] Herbers-Gehrs A. Ein Schrittmacher für den Darm. Franziskus-Hospital in Georgsmarienhütte hilft Patientin mit Stuhlinkontinenz. Neue Osnabrücker Zeitung. 11. November 2023.
[6] Fekadou B. Die Bedeutung von Klicks im Journalismus. In: Weber Shandwick Deutschland Blog. 27.04.2017 [Aufruf am 06.12.2024]. Verfügbar unter: https://blog.webershandwick.de/2017/04/27/die-bedeutung-von-klicks-im-journalismus/
[7] (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte. Fassung vom 09. Mai 2024. §2, Abschnitt 2 Bekanntmachung_BÄK_Musterberufsordnung-Ä
[8] Deutscher Presserat. Pressecodex. Ethische Standards für den Journalismus. Fassung vom 18. September 2024.