36. Kongress der Deutschen Kontinenz Gesellschaft e.V.
36. Kongress der Deutschen Kontinenz Gesellschaft e.V.
Ergebnisse eines individualisierten, multimodalen und defizitorientieren Rehabilitationsprogramms bei Postprostatektomie-Inkontinenz
2Krupp Krankenhaus Steele, Essen, Deutschland
3Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität, Mainz, Deutschland
Text
Einleitung: Die Postprostatektomie-Inkontinenz (PPI) umfasst komplexe Veränderungen der Harnblasen- und Sphinkterfunktion, die eine gezielte diagnostische und therapeutische Vorgehensweise erfordern. Diese Studie untersucht die Bedeutung spezifischer funktioneller Defizite und die Effektivität eines darauf aufbauenden, individualisierten und multimodalen Rehabilitationsprogramms.
Methode: Im Zeitraum von 2012 bis 2023 wurden 664 Männer mit PPI in ein 24-wöchiges Rehabilitationsprogramm aufgenommen. Einschlusskriterien umfassten Harnverlust nach radikaler Prostatektomie oder Bestrahlung, der trotz konventioneller Beckenbodentherapie persistierte. Diagnostische Maßnahmen beinhalteten Trink- und Entleerungsprotokolle, videourodynamische Untersuchungen zur Beurteilung von Speicher- und Entleerungsstörungen sowie Biofeedback-gestützte Analysen der Sphinktermuskulatur. Basierend auf den diagnostischen Ergebnissen wurde ein defizitorientiertes Therapieprogramm erarbeitet und umgesetzt. Dieses umfasste ein Sphinktertraining zur Verbesserung von Ruhetonus, Ansteuerung, Kraft und Ausdauer sowie pharmakologische Behandlungen detrusorbedingter Störungen wie Hyperaktivität oder Compliance-Mangel. Re-Evaluationen nach 8 und 16 Wochen sowie eine Abschlussevaluation nach 24 Wochen dokumentierten den Verlauf und die Therapieergebnisse. Patienten mit therapieresistenter Inkontinenz erhielten nach umfassender Evaluation eine prothetische Versorgung.
Ergebnisse: Von den 602 Patienten, die das Programm abschlossen (91 %), erreichten 314 (52 %) eine signifikante Verbesserung der Kontinenz. Der primäre Endpunkt (eine Einlage, an 6 von 7 Tagen trocken) wurde bei 21 % erreicht, während 31 % den sekundären Endpunkt (VAS < 30) erfüllten. Urodynamisch zeigten sich bei 284 Patienten (48%) detrusorbedingte Störungen, die durch kombinierte Pharmakotherapie und Verhaltensanpassungen behandelt wurde. Die intensive Sphinkterrehabilitation erwies sich als Schlüsselkomponente, um funktionelle Defizite wie niedrigen Ruhetonus, unzureichende Ansteuerung und mangelnde Ausdauerleistung zu adressieren. Insgesamt benötigten 156 Patienten (26 %) mit persistierender Inkontinenz nach Abschluss des Programms eine prothetische Versorgung, was die Lebensqualität bei refraktären Fällen maßgeblich steigerte.
Schlussfolgerung: Ein individualisiertes, multimodales Rehabilitationsprogramm, das die Pathophysiologie der PPI umfassend adressiert, verbessert signifikant die Kontinenz und Lebensqualität. In therapieresistenten Fällen bleibt die prothetische Versorgung eine effektive Option zur Wiederherstellung der Funktionalität.



