98. Versammlung des Vereins Rhein-Mainischer Augenärzte
98. Versammlung des Vereins Rhein-Mainischer Augenärzte
„Blick in die Tiefe, die Makula als stille Zeugin“
Text
Hintergrund: Die Myotone Dystrophie Typ-I-Curschmann-Steinert ist die häufigste Multisystemerkrankung des neuromuskulären Systems im Erwachsenenalter und beschreibt einen genetisch bedingten Defekt des muskulären Natriumkanals. Die Diagnose erfolgt molekulargenetisch mittels PCR, Southern Blot. Eine humangenetische Beratung ist bei autosomal dominanter Vererbung empfehlenswert. Die Erkrankung verläuft chronisch progredient in variabler Ausprägung. Klinische Leitsymptome sind unter anderem eine distal betonte Muskelschwäche/-atrophie mit Ausdehnung nach proximal, Myotonie, sowie Facies myopathica (hängende Gesichtszüge, trauriger Gesichtsausdruck, Amimie, eingefallene Schläfenregion, Gesichtsmuskelatrophie). Eine okuläre Beteiligung tritt in Form einer Cataracta myotonica (99%), Ptosis (60%), okuläre Hypotension, Sicca-Symptomatik sowie seltener Pigmentdispersionssyndrom, Irisdystrophie, Keratopathien, Blepharokonjunktivitis, Ektropium, Retinopathien/ Pigmentepitheliopathie (retikulär/radiär/sternförmig), epiretinale Gliose, Optikusatrophie, Farbsinnessstörungen, Atrophie M. orbicularis oculi, externe Ophthalmoplegie, Bulbusmotilitätsstörung, Enophtalmus.
Fallbeschreibung: Eine 54-jährige Patientin stellt sich in unserer Klinik mit Überweisung (Makuladegeneration) über die niedergelassene Augenärztin mit Bitte zur weiteren Diagnostik (OCT, Fluoreszeinangiographie) vor. Die Patientin habe keine Sehverschlechterung bemerkt. Mit ca. 50 Lebensjahren sei erstmals eine augenärztliche Vorstellung erfolgt. Die Amblyopieanamnese ist unklar. Bei einer auffallenden Facies myopathica rückt die einzig bekannte Vorerkrankung, eine myotone Muskeldystrophie Typ I Curschmann-Steinert, in den Fokus.
Befund: Es zeigt sich rechts ein bestkorrigierter Visus (BCVA) von 0.5 bei beidseitiger Pattern-Makulodystrophie mit radiärer Pigmentepitheliopathie am hinteren Pol. Eine Fluoreszeinangiographie zeigt eine korrespondierende rädiäre Hypofluoreszenz ohne Hinweise auf eine Leckage.
Schlussfolgerung: In Anbetracht der fehlenden Aktivität im Sinne einer choroidalen Neovaskularisation besteht weder akuter Handlungsbedarf noch eine etablierte Therapieoption. Wir empfehlen regelmäßige augenärztliche Kontrolle mit optischer Kohärenztomographie.



