Deutscher Rheumatologiekongress 2025
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Familiäres Mittelmeerfieber in Deutschland: Oft übersehen und fehloperiert – eine multizentrische retrospektive Analyse
2Charité Campus Mitte, Berlin
3Universitätsklinikum Köln (AÖR), Köln
4Medizinische Hochschule Hannover, Hannover
Text
Einleitung: Das familiäre Mittelmeerfieber (FMF) ist die häufigste monogenetische autoinflammatorische Erkrankung. Akute, starke Peritonitisbeschwerden und Fieber sind die Kardinalsymptome der Erkrankung und führen häufig zu einer notfallmedizinischen Vorstellung.
Methoden: An drei deutschen universitären Zentren (Berlin, Hamburg, Köln) wurden erwachsene FMF Patient:innen von 2022–2024 untersucht. Die Patient:innen wurden bezüglich ihres demografischen Hintergrunds, Krankheitssymptomen und -dauer sowie zu diagnostischen und chirurgischen Eingriffen, ausbildungs- und arbeitsplatzbezogenen Angaben und psychologischen Auswirkungen der Krankheit befragt. Depressive Störungen wurden mit dem Gesundheitsfragebogen für Patienten (PHQ-D) erfasst. Zur Messung der Lebenszufriedenheit wurde die Kurzskala zur Erfassung der Allgemeinen Lebenszufriedenheit (L-1) verwendet.
Ergebnisse: Es wurden 152 erwachsene FMF-Patient:innen analysiert. Das mediane Alter betrug 33 Jahre. Das mittlere Alter beim Auftreten der ersten Symptome betrug 9,5 Jahre (min. 0 – max. 57). Im Median betrug die Zeit zwischen Symptombeginn und Diagnosestellung 6 Jahre (min. 0 – max. 65) (vgl. Tabelle 1 [Tab. 1]).
Tabelle 1: Übersicht über die demographischen Angaben, Symptome, Operationen und Fehlzeiten der Patient:innen mit FMF
Mehr als die Hälfte der Patient:innen (53,3%) gab an, in der Vergangenheit mindestens einmal am Abdomen operiert worden zu sein. Davon hatten 44,1% aller Patient:innen eine Appendektomie, wobei sich bei 75,7% der Verdacht einer Appendizitis nicht bestätigte.
Hinsichtlich der Auswirkungen auf die Ausbildung und den Arbeitsplatz gaben 81,6% Fehltage in der Schule sowie 80,9% Fehltage am Arbeitsplatz aufgrund der Erkrankung an, 22,4% mussten ihre Ausbildung abbrechen und 34,9% berichteten vom Verlust ihres Arbeitsplatzes aufgrund der Erkrankung. Hinweise auf eine depressive Störung zeigten 21% der Befragten. Etwa die Hälfte gab eine Fatigue an (55%) (vgl. Abbildung 1 [Fig. 1]).
Abbildung 1: Anzahl von Patient:innen mit FMF in Prozentzahlen (gerundet) a) Sozioökonomische Auswirkungen der Erkrankungen auf Ausbildung und Arbeitsplatz b) Hinweise für eine Depressive Störung und Fatigue erfasst mit dem PHQ-D c) Appendektomien mit OP-Ergebnis
Die Lebenszufriedenheit gemessen mit dem L-1 lag niedriger als in der Allgemeinbevölkerung (FMF MW 6.6, SD 2.6, Allgemeinbevölkerung MW 7.18 SD 2.07) [1].
Schlussfolgerung: Die Analyse zeigt, dass die Diagnose FMF nach wie vor eine große Herausforderung darstellt. Die Diagnoselatenz von durchschnittlich 6 Jahren, potenzielle Überdiagnostik und unnötige operative Eingriffe (u.a. 75,7% „Fehlappendektomierate“), sowie tiefgreifende negative psychische und sozioökonomische Auswirkungen (u.a. 34,9 % Arbeitsplatzverlust) verdeutlichen den „Medical Need“ für eine bessere Versorgung von FMF-Patient:innen.