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36. Kongress der Deutschen Kontinenz Gesellschaft e.V.

Deutsche Kontinenz Gesellschaft e.V.
14.-15.11.2025
Bielefeld


Meeting Abstract

Tas2R38 in urethralen Tuft-Zellen bei rezidivierenden Harnwegsinfekten und Epididymitis

Lea Hofmann 1
Klaus Deckmann 1
Wolfgang Kummer 1
Floian Wagenlehner 2
Adrian Pilatz 2
1Justus-Liebig-Universität, Gießen, Deutschland
2UKGM, Gießen, Deutschland

Text

Einleitung: Ziel unserer Studie war es herauszufinden, ob die Fähigkeit, den Bitterstoff Phenylthiocarbamid (PTC) zu schmecken, mit dem Risiko einer Infektion der ableitenden Harnwege bzw. der Nebenhoden assoziiert ist. Urethrale Tuft-Zellen (UTC) sind in der Lage, Bitterstoffe wahrzunehmen und daraufhin Abwehrmechanismen einzuleiten. PTC ist ein künstliches Derivat von Thiourea, einem Bitterstoff, der von uropathogenen Bakterien abgesondert wird. Es gibt Menschen, die PTC nicht wahrnehmen können. Folgerichtig könnte dies die protektiven Eigenschaften der UTC vermindern und das Risiko einer Infektion erhöhen. Die Fähigkeit, PTC wahrzunehmen, ist mit einem Einzelnukleotid-Genpolymorphismus (SNP) des Geschmacksrezeptors Tas2R38 assoziiert. Die SNPs verursachen jeweils drei Aminosäureveränderungen: P49A, A292V und V296I. Diese drei Varianten haben die Tendenz, zusammen vererbt zu werden: entweder in der Variante PAV oder AVI. Der PAV-Haplotyp kann PTC schmecken, der AVI-Haplotyp nicht. Personen mit dem homozygoten PAV/PAV-Genotyp gelten als „Super-Schmecker“, diejenigen mit dem heterozygoten PAV/AVI-Genotyp als „Schmecker“ und die mit dem homozygoten AVI/AVI-Genotyp als „Nicht-Schmeckern“.

Methode: In einer Fall-Kontroll-Studie mit 130 weiblichen Probandinnen wurde der Risikofaktor „Fähigkeit, PTC wahrzunehmen“ auf die Erkrankung rezidivierender HWI untersucht. Zudem wurden in einer zweiten Studie Blutproben von 100 männlichen Probanden mit und ohne Epididymitis untersucht und eine PCR zur Bestimmung des Genotyps bezüglich des Schmecker-Status angewandt. Zudem wurde die Expression von Tas2R38 in menschlichem urethralem Gewebe mittels Immunhistochemie untersucht und eine mögliche Kolokalisation mit UTC erörtert. Des Weiteren wurde mittels Calcium-Imaging an isolierten UTC aus UTC-Reportermäusen (ChAT-eGFP-Mäusen) die Reaktion von UTC auf PTU und PTC untersucht und die Expressionsmuster relevanter Faktoren in UTC wurden mit Hilfe von Next-Generation-Sequencing und RT-PCR bestimmt.

Ergebnisse: Die Fall-Kontroll-Studie an HWI-Probandinnen ergab, dass sich signifikant mehr Nicht-Schmecker in der Gruppe mit rez. HWI befanden. Nicht-Schmecker haben demnach ein 2,36-fach höheres Risiko, an rez. HWI zu erkranken. In der Studie mit Epididymitis-Patienten zeigte sich kein Unterschied zwischen Schmeckern und Nicht-Schmeckern zwischen den Patienten mit Epididymitis und in der Kontrollgruppe. Allerdings gab es signifikant mehr Super-Schmecker in der Kontrollgruppe (p = 0,0167). Super-Schmecker erkranken über 4-fach seltener an Epididymitis.

Die Tas2R38-Expression wurde entlang des aufsteigenden Infektionsweges (Urethra und Ductus deferens) untersucht. Die Immunfluoreszenz zeigte eine Tas2R38-Expression in den selten vorkommenden UTC. Im Tiermodell zeigte sich in der RT-PCR eine Expression verschiedener Bittergeschmacksrezeptoren, einschließlich jener, die für die Erkennung von PTU und PTC verantwortlich sind. Die Next-Generation-Sequenzierung von sechs UTC der Maus zeigte eine Expression der Rezeptoren. In Calcium-Imaging-Experimenten wurden isolierte UTC mit PTC und PTU stimuliert. Die UTC zeigten eine signifikante Erhöhung der intrazellulären Calciumkonzentration in Anwesenheit von PTC und PTU.

Schlussfolgerung: UTC könnten insbesondere für die Abwehr von Infektionserregern in der Harnröhre und angrenzenden Geweben relevant sein. Die Fähigkeit, PTC wahrnehmen zu können, bedingt ein geringeres Risiko, an rez. HWI oder Epididymitis zu erkranken. Da bekannt ist, dass UTC mit dem Rezeptor Tas2R38 an der Fähigkeit beteiligt sind, Bitterstoffe wie PTC wahrzunehmen, untermauert dies die Annahme, dass UTC einen schützenden Effekt im Urogenitaltrakt haben und als Wächterzellen fungieren. Unklar ist bislang, ob dies durch UTC verursacht wird oder ob andere Zellen der Immunantwort an diesem Effekt beteiligt sind.