59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
Angehörige von Patient:innen in der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung: Belastungen, Bedürfnisse und Ressourcen
2Palliative Care Team Aurich/Ostfriesland GmbH, Aurich, Deutschland
Text
Hintergrund: Angehörige von Patient:innen in palliativer Erkrankungssituation sind psychosozial belastet und haben vielfältige, oft unerfüllte Unterstützungsbedürfnisse. Zur Situation dieser Angehörigen im häuslichen Versorgungskontext besteht in Deutschland bislang wenig Evidenz.
Zielsetzung/Fragestellung: Untersuchung der spezifischen Belastungen, Unterstützungsbedürfnisse und Ressourcen von Angehörigen bei Aufnahme in die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV).
Material und Methoden: In dieser Querschnittsstudie wurden 76 erwachsene Angehörige innerhalb von 72 Stunden nach SAPV-Aufnahme befragt. Erhoben wurden psychosoziale Belastung („Distress“), Angst, Depressivität, gesundheitsbezogene Lebensqualität, soziale Unterstützung, Sinnquellen und Unterstützungsbedürfnisse mittels validierter Skalen. Die Datenauswertung erfolgte deskriptiv und regressionsanalytisch.
Ergebnisse: Etwa Dreiviertel der Angehörigen (78%) berichteten klinisch relevanten Distress, 46% sogar in hochgradigem Ausmaß. Bei etwa einem Drittel bestand der Verdacht auf eine Angst- (36%) oder depressive Störung (33%). Im Vergleich zur deutschen Allgemeinbevölkerung (geschlechts- und altersadjustiert) wiesen Angehörige eine signifikant niedrigere Lebensqualität in sechs von acht Dimensionen auf, insbesondere im mentalen Bereich. Über ein Drittel der Unterstützungsbedürfnisse war unerfüllt – vor allem emotionale Unterstützung und Informationen zur Behandlung/Versorgung. Als wichtigste Sinnquellen, aus denen Angehörige Kraft schöpfen, wurden persönliche Beziehungen (82%), finanzielle Sicherheit (71%), das „Für andere da sein“ (68%) und Naturverbundenheit (67%) genannt. Etwa Dreiviertel der Angehörigen (77%) gaben eine moderate bis hohe soziale Unterstützung an. In den Regressionsanalysen waren ein höheres Niveau von Distress, Angst- und depressiver Symptomatik signifikant mit einer niedrigeren mentalen und physischen Lebensqualität assoziiert.
Diskussion: Bei Beginn einer häuslichen Palliativversorgung durch ein SAPV-Team berichten Angehörige hohe psychische Belastungen bei deutlich eingeschränkter Lebensqualität und bisher unzureichend adressierten Unterstützungsbedürfnissen. Gleichzeitig stehen ihnen Ressourcen zur Verfügung, die gezielt gestärkt werden können. Eine strukturierte Bedarfserhebung ist essenziell, um passgenaue Unterstützungsangebote frühzeitig und wirksam einsetzen zu können.
Take Home Message für die Praxis: Angehörige in der häuslichen Palliativversorgung haben insbesondere mit Blick auf ihre emotionale Stabilität und Informationsdefizite deutliche Unterstützungsbedarfe.



