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59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) e.V.
01.-03.10.2025
Hannover


Meeting Abstract

Hausärztlicher Umgang mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen – eine Querschnittstudie

Nils Eisold 1,2
Tjorven Stamer 1
Jost Steinhäuser 1
1Universität zu Lübeck, Institut für Allgemeinmedizin, Lübeck, Deutschland
2Bundeswehr, Sanitätsversorgungszentrum Husum, Deutschland

Text

Hintergrund: Die Aufgabe, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AU) auszustellen, konfrontiert Hausärzt:innen regelmäßig mit konkurrierenden Anforderungen. Während dieses Spannungsfeld in internationalen Publikationen thematisiert wird, mangelt es an vergleichbaren Untersuchungen aus Deutschland.

Zielsetzung/Fragestellung: Ziel dieser Arbeit war es, den hausärztlichen Umgang mit den Anforderungen bei der Bescheinigung einer AU zu erheben, um daraus praktische Empfehlungen zur Verbesserung der Aus- und Weiterbildung abzuleiten.

Material und Methoden: Die Datenerhebung erfolgte mittels einer anonymen Online-Befragung unter in Deutschland tätigen Hausärzt:innen im Rahmen einer Querschnittsstudie von Oktober bis Dezember 2024. Der Fragebogen wurde auf Basis einer selektiven Literaturrecherche und den Erfahrungen der Autoren entwickelt. Die deskriptive Datenanalyse erfolgte mittels SPSS.

Ergebnisse: Für die Auswertung konnten Antworten von 432 hausärztlich tätigen Ärzt:innen aus 14 Bundesländer eingeschlossen werden. Das Durchschnittsalter betrug 42 Jahre, 68% waren weiblich.

Die mittlere Dauer einer AU waren vier Tage bei Kreuzschmerz bzw. einem Infekt der oberen Atemwege und drei Tage bei einer Gastroenteritis.

Die Teilnehmenden sahen sich auf das Thema AU gut vorbereitet (MW=2,44 nach Schulnoten).

Besonders beeinflusst wurden die Teilnehmenden von rechtlichen Vorgaben (MW=2,42; 1 = sehr stark, bis 6 = überhaupt nicht), die geplante Therapie (MW=2,54) gefolgt von Pflichten gegenüber der Solidargemeinschaft (MW=2,76).

Unter den herausfordernden Situationen wurde der Wunsch nach einer Gefälligkeits-AU (20% pro Woche) mit am häufigsten erlebt und am seltensten die tatsächliche Bedrohung (2%) im Zusammenhang mit einer AU.

Alternative AU-Modelle, wie eine Teil-Krankschreibung, wurde nach Schulnoten mit MW=2,4 positiver gesehen als die Notwendigkeit eines Attestes erst ab der zweiten Woche (MW=3,69) oder dass auch andere Gesundheitsberufe AUs attestieren können (MW=4,37).

Diskussion: Das aktuell in der Öffentlichkeit diskutierte Modell einer Teil-Krankschreibung wird von den teilnehmenden Hausärzten:innen gut angenommen. Maßnahmen, die entfernter von der Hausarztpraxis durchgeführt werden könnten (z. B. Krankschreibung durch Patient:in), erfahren wenig Zuspruch.

Take Home Message für die Praxis: Das Thema Einflüsse und Herausforderungen auf bzw. im Zusammenhang mit einer AU sollte explizit in der Aus- und Weiterbildung thematisiert werden.