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32. Jahrestagung der Gesellschaft für Arzneimittelanwendungsforschung und Arzneimittelepidemiologie (GAA)

Gesellschaft für Arzneimittelanwendungsforschung und Arzneimittelepidemiologie (GAA) e. V.
13.-14.11.2025
Jena


Meeting Abstract

Versorgungsrealität gynäkologischer Arzneimitteltherapien: Inanspruchnahmen der privaten Krankenvollversicherten 2019-2022

1Institut für Pharmazeutische Biologie, Goethe-Universität Frankfurt, Frankfurt am Main, Germany
2Wissenschaftliches Institut der Privaten Krankenversicherung (WIP), Köln, Germany

Text

Hintergrund: Trotz verfügbarer medikamentöser Therapieoptionen sind menstruationsbedingte und klimakterische Beschwerden in Deutschland weiterhin hochprävalent. Dies wirft die Frage auf, ob die bestehenden pharmakologischen Standardtherapien (Hormonelle Kontrazeptiva und Hormonersatztherapie) nicht im erwarteten Maße zur Symptomlinderung beitragen oder nur eingeschränkt zur Anwendung kommen. Über die ärztliche Verordnung alternativer Ansätze, insbesondere pflanzlicher Arzneimittel, liegen bislang keine systematischen Daten vor. Analysen zur Inanspruchnahme sowohl synthetischer als auch pflanzlicher Arzneimittel bieten einen zentralen Zugang zur Versorgungsrealität.

Material und Methoden: Aus dem WIP-Arzneimittelprojekt der privaten Krankenversicherungen (pKVn) wurden die Inanspruchnahmen von Arzneimittelpackungen zur Behandlung menstrueller und klimakterischer Beschwerden analysiert. Eingeschlossen wurden alle verordneten Arzneimittelpackungen, die zwischen 2019 und 2022 in Anspruch genommen wurden. Die Daten wurden nach den ressourcenorientierten Methoden zusammengestellt [1].

Ausgeschlossen wurden männliche Versicherte und Frauen unter 12 Jahren sowie Arzneimittelpackungen, die nicht den ATC-Codes G03A, G03C, G03F oder G02CP zugeordnet werden konnten. Insgesamt wurden 2,8 Mio. Arzneimittelpackungen zur Behandlung gynäkologischer Beschwerden gefiltert und analysiert.

Ergebnisse: Von 2019 bis 2022 wurden überwiegend synthetische Hormonpräparate (G03; 91,5%) in Anspruch genommen und pflanzlichen Gynäkologika (G02; 8,5%) machten weniger als ein Zehntel aus. Während die Zahlen für synthetische Hormonpräparate nach einem Rückgang bis 2021 anschließend wieder nahezu das Ausgangsniveau erreichten, zeigte sich bei pflanzlichen Arzneimitteln ein durchgehend rückläufiger Trend.

Zur Behandlung menstrueller Beschwerden dominierten bei den 12-25-Jährigen die Hormonellen Kontrazeptiva (G03A; 92,2%), während die pflanzlichen Arzneimittelpackungen (G02CP01; G02CP02; G02CP05; G02CP07) lediglich 7,8% ausmachten. Mit zunehmendem Alter stieg der Anteil pflanzlicher Arzneimittelpackungen kontinuierlich an (26-39 Jahre: 25,6%; 40-60 Jahre: 35,6%) und überstiegen erstmals bei Frauen über 60 Jahren den Anteil synthetischer Arzneimittelpackungen (59,2% vs. 40,8%).

Zur Behandlung klimakterischer Beschwerden nahmen in allen Altersgruppen mehr als 90% (12-40 Jahre: 98,5%; 41-65 Jahre: 91,2%; >65 Jahre: 97,2%) der Frauen Arzneimittel, die der Klasse der Hormonersatztherapie angehören (G03C, G03F) in Anspruch. Pflanzliche Arzneimittel (G02CP03; G02CP04; G02CP53) blieben altersübergreifend unter 10%, mit dem höchsten Anteil bei den 41-65-Jährigen (8,8%).

Schlussfolgerung: Zwischen 2019 und 2022 dominierten synthetische Hormonpräparate die medikamentöse Versorgung gynäkologischer Beschwerden deutlich gegenüber pflanzlichen Arzneimitteln, wobei sich altersabhängige Präferenzen zeigten.

Für den geringen Anteil pflanzlicher Arzneimittel sollten die KSB-Prinzipien (Kostenerstattungsprinzip, Selbstbehalte und Beitragsrückerstattungen) [1] der pKVn berücksichtig werden. Dazu kommen pandemiebedingte Effekte, wie der deutliche Rückgang persönlicher Arzt-Patient*innen-Kontakte, der durch die eingeschränkte ärztliche Versorgung auch zu sinkenden Bezugszahlen von Arzneimitteln geführt haben kann. Ebenso könnten fehlendes Wissen bezüglich alternativer Therapieoptionen auf Seiten der Patientinnen, beobachteten Trends beeinflusst haben.

Um den Versorgungsalltag besser zu verstehen und das Potenzial pflanzlicher Arzneimittel gezielter nutzen zu können, sind ergänzende Erhebungen von Patientenpräferenzen, Wirksamkeitserfahrungen, sowie die Gründe für Empfehlung oder Verschreibung aus Sicht der Apotheker*innen und Ärzt*innen empfehlenswert.


Literatur

[1] Jacke CO, Schaarschmidt J, Begerow T. Das Auswahlverfahren von PKV-Daten bestimmt das Ergebnis: zum Unterschied zwischen Einreichungs- und Inanspruchnahmeverhalten. Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement. 2025 Jul 17. DOI: 10.1055/a-2641-8957