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59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) e.V.
01.-03.10.2025
Hannover


Meeting Abstract

Eine palliative Diagnose und kein sicheres Dach über dem Kopf – Interviews mit Versorgenden aus der Wohnungslosenhilfe und Gesundheitsversorgung zur Palliativversorgung von Menschen in Wohnungs- und Obdachlosigkeit in Hannover

Leonie Marie Siebelink 1
Maria Bonin 1
Franziska Annemarie Herbst 1
1Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin und Palliativmedizin, Hannover, Deutschland

Text

Hintergrund: Wohnungs- und obdachlose Menschen weisen erhöhte Morbiditäts- und Mortalitätsraten im Vergleich zur Gesamtgesellschaft auf (Klop et al. 2018a; Fazel et al. 2015). Eine retrospektive Analyse ergab, dass wohnungs- und obdachlose Menschen teils andere Bedarfe an die Palliativversorgung haben als Personen mit festem Wohnsitz (Klop et al. 2018b). Für die Stadt Hannover besteht Forschungsbedarf hinsichtlich der Frage, welche Erfahrungen in der Palliativversorgung von wohnungs- und obdachlosen Menschen vorliegen und welche Herausforderungen und förderlichen Faktoren die Versorgenden wahrnehmen.

Zielsetzung/Fragestellung: Ziel des Projekts ist, Erfahrungen, Herausforderungen und förderliche Faktoren in der Palliativversorgung von wohnungs- und obdachlosen Menschen aus Sicht der involvierten Mitarbeitenden aus der Wohnungslosenhilfe, der mobilen Gesundheitsversorgung sowie der ambulanten und stationären Hospizarbeit und Palliativversorgung zu ermitteln.

Material und Methoden: Für das Projekt werden aktuell involvierte Mitarbeitende in Hannover rekrutiert, die mindestens eine Person mit palliativem Versorgungsbedarf in Wohnungs- oder Obdachlosigkeit begleitet haben. Die Befragung erfolgt mittels Expert:inneninterviews (geplant: n=ca. 10–12) bis Ende 07/2025. Ergänzend werden soziodemographische Fragebogendaten erhoben. Die Interviews werden transkribiert und inhaltsanalytisch ausgewertet.

Ergebnisse: Zwischen 03–04/2025 wurden 4 Interviews geführt. Eine Interimsanalyse dieser Interviews zeigt, dass fehlende Krankenversicherung und koordinierende Versorgungsstrukturen zentrale Herausforderungen darstellen. Psychische Erkrankungen und negative Vorerfahrungen im Hilfesystem können sich negativ auf die Inanspruchnahme auswirken, wohingegen eine gute Vernetzung zwischen Versorgenden, Wohnraum und Sozialarbeitenden positive Auswirkungen auf die Versorgung haben kann.

Diskussion: Übereinstimmend mit bestehender Literatur (Klop et al. 2018b; Hudson et al. 2016) deutet sich an, dass wohnungs- und obdachlose Patient:innen teils andere Bedarfe und Wünsche, wie mehr Flexibilität und Verständnis für ihre spezifischen Lebensumstände, an eine Palliativversorgung haben als Personen mit festem Wohnsitz.

Take Home Message für die Praxis: Für Allgemeinmediziner:innen ergibt sich die Relevanz, Patient:innen bei (drohender) Wohnungslosigkeit eine niederschwellige Behandlung zu ermöglichen, Verständnis für ihre Lebensrealität aufzubringen und früh an Hilfsangebote zu vermitteln.