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59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) e.V.
01.-03.10.2025
Hannover


Meeting Abstract

Implementierung einer digitalen Entscheidungshilfe in der Primärversorgung – eine qualitative Studie mit Routinedatenvergleich

Sarah Burkhardt 1
Julia Heisig 1
Annika Viniol 1
Norbert Donner-Banzhoff 1
Nicole Lindner 1
1Philipps-Universität Marburg, Institut für Allgemeinmedizin, Marburg, Deutschland

Text

Hintergrund: Das Absetzen einer Langzeit-Therapie mit Protonen-Pumpen-Inhibitoren (PPI) stellt eine Herausforderung dar. Hierbei soll das digitale Entscheidungshilfe-Tool (arriba-PPI) Hausärzt:innen unterstützen. Eine multizentrische cluster-randomisierte kontrollierte Studie zeigt, dass Arzt-Patienten-Konsultationen, in welchen das Tool genutzt wurde im Vergleich zu Konsultationen, in welchen das Tool nicht genutzt wurde, zu einem Rückgang der PPI-Verschreibungen führt (22,3% nach 6 Monaten). Trotz dieses Wirkungsnachweises wird arriba PPI – wie auch andere aufwendig entwickelte Interventionen – nicht in der täglichen Praxis verwendet.

Zielsetzung/Fragestellung: Basierend auf den Vorgaben des Medical Research Councils ist es das Ziel, die Implementierung von arriba-PPI in der alltäglichen allgemeinärztlichen Routine zu untersuchen. Was sind die Ansichten von Ärzt:innen zur praktischen Anwendung von arriba-PPI? Wie hat sich das Verordnungsverhalten tatsächlich verändert? Welche Faktoren begünstigen eine Implementierung und welche stehen ihr entgegen? Welche Lehren kann man für die Entwicklung und Implementierung anderer digitaler Entscheidungshilfen ziehen?

Material und Methoden: Wir werten die Ärzt:innen-Interviews, welche im Rahmen der multizentrischen cluster-randomisierten kontrollierten Studie geführt wurden, unter dem Gesichtspunkt der Implementierung thematisch (Braun und Clarke) aus. Hierbei dient die Normalisation-Process-Theory als theoretisches Rahmenwerk. Darüber hinaus werden die qualitativen Ergebnisse mit Krankenkassen-Routinedaten zur Verschreibung von PPI verglichen.

Ergebnisse: In Interviews mit 26 Ärzt:innen wird das Tool arriba-PPI von den Benutzer:innen großenteils positiv bewertet, insbesondere was die Sensibilisierung bezüglich der Thematik „Absetzen von PPI“ betrifft. Allerdings geben die Interview-Partner:innen auch an, das Tool nach Abschluss der Studie kaum noch verwendet zu haben.

Zum Kongress liegen uns Ergebnisse zu einem Vergleich mit den Verordnungszahlen der Praxen vor.

Diskussion: Unsere Studie zeigt förderliche und hinderliche Faktoren bei der Implementierung einer digitalen Entscheidungshilfe in der klinischen Praxis. Diese Erkenntnisse sind hilfreich bei der Entwicklung und Implementierung anderer digitaler Entscheidungshilfen.

Take Home Message für die Praxis: Die Implementierung komplexer Interventionen, die in Studien als wirksam erachtet wurden, ist herausfordernd. Umso entscheidender ist es, Forschungsarbeit im Bereich der Implementierung zu leisten und so dazu beizutragen, dass Probleme in der Umsetzung neuer Praktiken aufgedeckt werden.