59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
Alles STImmig? Sexuell übertragbare Infektionen im hausärztlichen Kontext: Perspektiven, Erfahrungen und politische Einstellungen von Hausärzt:innen in Unterfranken und Berlin/Brandenburg
2Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Allgemeinmedizin, Berlin, Deutschland
Text
Hintergrund: Sexuell übertragbare Infektionen (STI) stellen ein globales Problem dar, auch in Deutschland werden steigende Zahlen beobachtet. Dabei sind Hausärzt:innen oft die erste Ansprechperson. Die Verantwortlichkeit zur Diagnostik und Therapie variiert: Manche bieten eine vollumfängliche Behandlung von STIs an, andere sehen Fachgebiete wie Dermatologie oder Gynäkologie in der Verantwortung. Gespräche über STI sind zudem mit Stigmatisierung und Scham verbunden, und bereits im Studium fehlt es an Vorbereitung auf diese Themen.
Zielsetzung/Fragestellung: Wir möchten die Erfahrungen, Einstellungen und Versorgungspraxis unterfränkischer Hausärzt:innen zum Thema STI erfahren sowie einen regionalen Vergleich mittels einer Gruppe von Hausärzt:innen aus Berlin/Brandenburg herstellen, die den gleichen Fragebogen erhalten. Weiter soll geprüft werden, ob politische Einstellungen mit bestimmten Einstellungen korrelieren.
Material und Methoden: Postalischer Versand eines Fragebogens mit 56 Items an alle Hausärzt:innen in Unterfranken (n=940) sowie an eine Zufallsstichprobe von n=500 Hausärzt:innen in Berlin und Brandenburg. Erfragt werden u.a. Behandlungsfrequenz sowie subjektive Behandlungskompetenz in Bezug auf Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung der Patient:innen. Statistische Analyse mittels deskriptiver Statistik und multivariabler Modellierung. Der Fragebogen wurde unter Einbezug von Patient:innengruppen und Expert:innen konzipiert.
Ergebnisse: Die Rücklaufquote betrug 13%, weitere Rückmeldungen werden erwartet. 52% der Teilnehmenden waren weiblich, 47% männlich, 1% nicht-binär. 91% identifizierten sich als heterosexuell, 6% als homosexuell, jeweils 1% bi- bzw. asexuell. Erste Ergebnisse der unterfränkischen Kohorte zeigen, dass Hausärztinnen, die sich kompetent im Umgang mit STIs fühlen, auch häufiger entsprechende Anamnesen und Behandlungen durchführen, während politische Einstellungen weniger Einfluss darauf haben. Weitere Ergebnisse werden auf dem Kongress präsentiert.
Diskussion: Die Studie liefert einen wichtigen Einblick in die aktuelle Versorgung von Patient:innen mit STI in zwei Regionen Deutschlands und positioniert die Stärkung der hausärztlichen Kompetenzen als essentiellen Baustein zur Verbesserung der Versorgung.
Take Home Message für die Praxis: Hausärzt:innen spielen eine wichtige Rolle in Prävention, Diagnostik und Behandlung von STIs. Um sie in dieser Rolle zu stärken, müssen entsprechende Unsicherheiten und Wissenslücken adressiert werden. Die Förderung eines offenen Dialogs und die Sensibilisierung für die Stigmatisierung sind entscheidend.