59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
Multimodale Interventionen zur Veränderung gesundheitsbezogenen Verhaltens ('Lebensstil') bei Kindern und Jugendlichen mit Adipositas – ein Cochrane-Review
2Maastricht University, School of Medicine, Maastricht, Niederlande
3Medical University of Vienna, Emergency Medicine, Vienna, Österreich
4Clínica CES, Research Department, Kolumbien
5Obafemi Awolowo University, Preventive and Community Dentistry, Faculty of Dentistry, College of Health Sciences, Nigeria
6Distrito Especial de Medellín, Equipo de Seguridad Alimentaria y Nutricional, Medellín, Kolumbien
7University of Warwick, Division of Health Sciences, Warwick Medical School, Großbritannien
8Paracelsus Medical University, Department of Pediatrics, Klinikum Nürnberg, Universitätsklinik der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Nürnberg, Deutschland
9Leeds Beckett University, Obesity Institute, School of Health, Leeds, Großbritannien
Text
Hintergrund: Adipositas im Kindes- und Jugendalter stellt ein weltweites gesundheitspolitisches Problem mit multifaktoriellen Ursachen dar. Multimodale Lebensstilinterventionen (Ernährung, körperliche Aktivität und Verhaltensänderung) gelten als Therapie der ersten Wahl. Dennoch besteht Unsicherheit hinsichtlich der langfristigen Wirksamkeit und Nachhaltigkeit dieser Ansätze.
Zielsetzung/Fragestellung: Ziel dieses systematischen Reviews war es, die Auswirkungen multimodaler Lebensstilinterventionen auf Kinder und Jugendliche mit Adipositas zu evaluieren.
Material und Methoden: Im Rahmen eines Cochrane-Reviews (Suchzeitpunkt: Februar 2024) wurden randomisierte kontrollierte Studien mit einer Mindestnachbeobachtungszeit von 12 Monaten eingeschlossen. Bewertung und Analyse erfolgten gemäß der Cochrane-Methodik.
Ergebnisse: Es wurden 67 randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 12.798 Teilnehmenden analysiert.
Bei Kindern führten Lebensstilinterventionen zu geringen Verbesserungen des körperlichen Wohlbefindens (standardisierte Mittelwertdifferenz [SMD] 0,05; 95%-Konfidenzintervall [KI] -0,09 bis 0,19) sowie zu einer Steigerung der körperlichen Aktivität (SMD 0,23; 95%-KI -0,16 bis 0,63). Der BMI-z-Score veränderte sich nur geringfügig (mittlere Differenz [MD] -0,15; 95%-KI -0,23 bis -0,06).
Bei Jugendlichen zeigten sich keine signifikanten Verbesserungen des körperlichen Wohlbefindens (SMD 0,13; 95%-KI -0,13 bis 0,39), jedoch positive Effekte auf die körperliche Fitness (SMD 0,59; 95%-KI -0,17 bis 1,01). Der BMI-z-Score blieb weitgehend stabil (MD -0,11; 95%-KI -0,19 bis -0,02).
Die Evidenz zu Nebenwirkungen war insgesamt unsicher (sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).
Gemeindebasierte Interventionen (z. B. in Schulen, Kirchen oder Gemeindezentren) zeigten tendenziell größere Effekte auf die körperliche Gesundheit als klinische Interventionen (Primärversorgung, Kliniken). Psychische und soziale Auswirkungen blieben in beiden Gruppen begrenzt.
Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz reichte insgesamt von niedrig bis moderat.
Diskussion: Lebensstilinterventionen scheinen eine begrenzte Wirksamkeit auf patientenrelevante Endpunkte aufzuweisen. Die Effekte auf objektive Messparameter (z. B. BMI-z-Score) waren gering. Die langfristige Nachhaltigkeit dieser Interventionen bleibt unklar.
Take Home Message für die Praxis: Hausärztinnen und Hausärzte sollten gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten sowie deren Eltern die Erwartungen an Lebensstiländerungsansätze kritisch reflektieren, da deren Wirkung auf körperliche und psychische Gesundheitsparameter begrenzt ist.